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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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entlasten, beschreibt Lena G., wie scharf Jörg Kachelmann häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe verurteile. Er pflege zu sagen: In solchen Fällen ist keine Strafe zu hoch. In all den gemeinsamen Jahren, so schreibt Lena G., habe er sie nie angefasst oder geschüttelt. Seine Devise – auch wenn seine Kinder stritten – sei: Gewalt ist keine Lösung. Bei Konflikten werde Jörg Kachelmann eher ruhig, er wirke abwesend oder flüchte.
    Zuletzt, im Januar 2010, habe es Streit gegeben zwischen ihm und ihr. Deshalb sei sie in jener Zeit gestresst gewesen, hält Lena G. fest. Als Chris alias Sonja behauptete, Jörg sei mit einer anderen gesehen worden, machte sie sich Sorgen. Vielleicht, dachte sie, stimmt es ja, was diese Christina Brandner schreibt. Lena G. ließ sich provozieren. Ohne Grußformel und Anrede antwortete sie:
    Ich weiß nicht, was das alles soll. Ich kann mich nicht erinnern an dich. Und es ist sonderbar, dass Du so viel über meine Beziehung wissen willst und Jörgs E-Mail-Adresse haben möchtest. Wo undwann will denn dieser Freund den Jörg gesehen haben? Daran wäre ich sehr interessiert, denn wir sind nach wie vor zusammen.
    Daraufhin hörte Lena G. nichts mehr von Christina Brandner. Sie wunderte sich. Sie guckte auf Facebook nach. Sie bemerkte, dass Chris alias Sonja das Bild aus ihrem Profil entfernt hatte.
    Fast eine Woche lang hat Reinhard Birkenstock nun schon verlangt, dass die Ermittler den Laptop von Sonja A. beschlagnahmen. Doch die Staatsanwaltschaft hat nichts unternommen – bis sie den Chatverkehr zur «Kanada-Connection» und die Angaben von Lena G. dazu liest. Dann geht es, so scheint es, Schlag auf Schlag. Am Freitagnachmittag, kurz nach halb sechs, ruft Kriminalhauptkommissar Horst D. Sonja A. an. Sie müssten nochmals bei ihr vorbeischauen, kündigt er an. «Keine zehn Minuten später», so wird Horst D. am 33. Prozesstag aussagen, sei er im Kleinen Feld aufgetaucht. Ob er Sonja A. bereits am Telefon gesagt habe, sie müssten den Computer sichern? «Daran kann ich mich nicht mehr erinnern», wird der Zeuge eingestehen müssen. Die Kollegin, die ihn begleitet hat, fertigt, zurück im Büro, einen «Vermerk über die freiwillige Herausgabe von Beweismitteln» an. Sie müssten, sagt Ermittlungsleiter D. demnach, den Rechner mitnehmen. Sonja A. erklärt sich sofort einverstanden. Der Toshiba-Laptop steht im Wohnzimmer, eingesteckt zwar, aber ausgeschaltet. Er fühlt sich nicht warm an. Daran will sich der Kriminalhauptkommissar, der ihn hinausgetragen hat, zehn Monate später im Zeugenstand genau erinnern.
    Dieselben Polizisten werden auch bei Jörg Kachelmann im Gefängnis auftauchen. Sie kommen mit einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss. Häftling H 08 1008 100 553 muss mitansehen, wie sie seine grüne Tasche mitnehmen, die ihn, den Nomaden, auf all seinen Reisen treu begleitet hat, und ebenso seinen Laptop samt vier Speichersticks, sein Portemonnaie, seine drei Handys, die er seit seiner Festnahme ohnehin nicht mehr benutzen durfte. Er willigt nicht ein, als die Ermittler seine Papiere durchsuchen wollen. Die Polizei steckt diese daraufhin in einen Umschlag, der versiegelt wird.
    Lena G., die ihrem Jörg eben noch treu ergeben war, schwant Böses. Sie liest von einer Partnerin im Appenzellerland, mit der Jörg Kachelmann Weihnachtskarten verschickt habe. Dies verwirrt sie sehr, hat sie doch die Feiertage in den vergangenen Jahren immer mit ihm in Kanada verbracht. Sie beginnt, wie sie es nennen wird, das «Puzzle ihres Lebens zusammenzusetzen». Sie forscht nach, was an den Gerüchten dran ist, die kursieren. In kürzester Zeit erfährt sie vieles, was sie lieber nie erfahren hätte. Bei der Schwetzinger Polizei ist sie schnell bestens bekannt – als intensiv, penetrant, aber auch als eine, die manchmal sachdienliche Hinweise liefert. Einmal ruft sie dort an und erklärt einer Sachbearbeiterin, sie dürfe ihre Telefonnummer an andere Frauen Kachelmanns weitergeben. Bald unterhält sie eine Art Netzwerk der Parallelpartnerinnen. Was das alles soll? «Niemand, der nicht in der gleichen Situation steckte, hat mich wirklich verstehen können», wird sich Lena G. fast ein Jahr später rechtfertigen, als sie als Zeugin in Mannheim gehört wird. Sie habe diesen intensiven Austausch gebraucht, um ihr Leben zurückzugewinnen. Sie brauchte ihren Intensivaustausch, wird die Verteidigung behaupten, um Jörg Kachelmann zu schaden.
    Keinen Kontakt knüpft Lena G. zur

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