Die Akte Kachelmann
in Kachelmann weiter schwinden ließ. Bei einem Verkauf würde sie deshalbbedeutend weniger Gewinn abwerfen. Die Anwaltskosten Jörg Kachelmanns wuchsen bald schon auf einen sechsstelligen Euro-Betrag an. Daraus schloss die Meteomedia-Spitze: Der Chef in Haft ist für sein Unternehmen nicht mehr nur ein Reputations-, sondern auch ein Finanzrisiko.
Es kam zu Sofortmaßnahmen und Nacht- und Nebelaktionen: Werner und der dritte Aufsichtsrat Norbert Steffen strichen dem Inhaftierten die Berechtigung, Verträge allein zu unterzeichnen. Zudem sollte eine Generalversammlung einberufen werden, ohne dass Verwaltungsratspräsident und Hauptaktionär Kachelmann etwas davon erfuhr. Die Einladung sollte Steffen ihm nicht ins Gefängnis schicken, sondern an eine Privatadresse in der Schweiz. Die deutsche Geschäftsführerin Kristina Schleß, die von der Sache Wind bekam, intervenierte. Die Generalversammlung fand nicht statt.
Parallel versuchte Werner weiterhin, den Untersuchungshäftling von seinen Vorschlägen zu überzeugen – zuerst mit einem geharnischten Brief ins Gefängnis, dann mehrfach über Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock, und stets erfolglos. Am 14. April 2010 fasste er seine jüngsten Gespräche mit Birkenstock in einer E-Mail an Vertraute der Meteomedia-Spitze zusammen.
Teile davon wird die Verteidigung im Strafprozess einbringen – als eine Art Beleg für eine Verschwörung des Werner-Lagers gegen ihren Mandanten. Weglassen wird sie, dass Werner auch beschreibt, wie er gegenüber Birkenstock beteuert habe, es gehe ihm allein um den Schutz der Firma und der Vermögenswerte Kachelmanns und der übrigen Gesellschafter.
Reinhard Birkenstock habe ihm gesagt, er würde am nächsten Tag erstmals in Begleitung eines Wirtschaftsjuristen Kachelmann in der JVA aufsuchen, um offene Fragen zu diskutieren. Doch Werner ging davon aus, dass es den «obskuren Gesellschaftsrechtler» gar nicht gäbe. Deshalb gelte es jetzt «das weitere Vorgehen festzulegen». Der «rechtliche Schutz der Firma» müsse «von einem kommunikativen Schutzschild begleitet werden».
Im E-Mail-Verteiler der «Überlegungen zur Sache JK» ist geballte Boulevard-Medienmacht aufgeführt: Die Zeilen von Springer- und Meteomedia-Manager Werner richten sich unter anderem an Mitaktionär Peter Balsiger und Matthias Schwaibold, beides langjährige Verbündete Jörg Kachelmanns. Kommunikationsberater Balsiger war früher Chefredakteur beim Schweizer Pendant zur «Bild am Sonntag», dem «SonntagsBlick». Der Zürcher Wirtschaftsund Medienanwalt Schwaibold vertritt Meteomedia, aber immer wieder auch die Blätter der «Blick»-Gruppe.
Unmittelbar nach der Festnahme war das Trio Werner, Balsiger, Schwaibold für Jörg Kachelmann eingestanden. Die drei hatten mit der Meteomedia-Führung in Deutschland eine Task Force gebildet und mit den Kölner Anwälten per Telefon konferiert, um Schaden von der Firma abzuwenden. Jörg Kachelmann erlebten sie schnell als uneinsichtig. Der Freund und Kollege enttäuschte sie. Zudem hatte sie verunsichert, dass sie keine Einsicht in die Strafakte erhielten. Rechtsanwalt Schwaibold war am Tag der einzigen Vernehmung Kachelmanns sogar nach Mannheim gefahren, um den Inhaftierten zu sprechen. Jörg Kachelmann hatte ihn aber im Amtsgericht abblitzen lassen, was Matthias Schwaibold kränkte. Der Ärger, das Misstrauen wuchsen. Durch persönliche Kontakte erfuhr das Trio bald so manches über das Privat- und Sexualleben ihres Kollegen, das sie, gelinde gesagt, erstaunte. Falls nur ein Bruchteil davon bekannt werden würde, schwante den Boulevard-Experten Böses für Meteomedia.
Und so dachte Werner in seinen «Überlegungen zur Sache JK» vom 14. April eben auch über ein «kommunikatives Schutzschild» für das Unternehmen nach – und vielleicht über mehr. Peter Balsiger, so informierte er die Task Force in seiner E-Mail, habe sich bereits Gedanken über einen «nuklearen Erstschlag» gemacht, die er «morgen mit dem einen oder anderen vertiefen» werde. «Wir werden bar jeder Hemmung intern wie extern aufgrund jk’s multiplen Fehlverhaltens den Bruch der Firma mit ihm bekannt geben (vielleicht mit dem freundlichen Hinweis: ‹wenn er wieder gesund ist …›) und mit einschlägigen Artikeln in Blick, Bild, Bunte, Stern weitere unappetitlicheDetails seines kruden Privatlebens streuen, die auch dem treuesten jk-Anhänger die Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit klarmachen.» Dann schrieb Werner nur noch: «Gute Nacht,
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