Die Akte Kachelmann
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Tagelang tauchten danach in den genannten Blättern keine Artikel mit «unappetitlichen Details» zu Kachelmann auf.
Die Gemüter schienen sich ab Mitte April etwas beruhigt zu haben. Dazu trug bei, dass Birkenstock und Kachelmann jenen «obskuren Gesellschaftsrechtler» präsentierten, von dem Werner angenommen hatte, er existiere nicht: Er heißt Martin Kurer und ist Wirtschaftsanwalt in Zürich.
In ihm schien das Trio Werner, Balsiger und Schwaibold einen Hoffnungsträger zu sehen. Es gab erstmals einen Ansprechpartner, mit dem man vielleicht zu einer vernünftigen Lösung für Meteomedia kommen konnte. Erste Schritte zeugten von vorübergehender Eintracht: Jörg Kachelmann erhielt seine Zeichnungsberechtigung zurück, durfte aber neu nur noch zu zweit für die Firma unterschreiben. Werner stimmte Ende April auch einer Regelung zu, inwieweit Meteomedia für ihren Gründer die Verfahrenskosten deckt. Die harmonische Phase dauerte aber nur kurz.
Am 12. Mai 2010 trifft sich Sonja A. zum zweiten Mal mit Luise Greuel. Und es wird an jenem Mittwoch auch ein «Mitarbeiter-Brief an Jörg Kachelmann» abgeschickt. Zu den Erstunterzeichnern gehören bekannte Wettergesichter aus dem Fernsehen und leitende Angestellte.
«Hallo Jörg», schreiben sie, «das ist sicher eine harte Zeit für Dich.» Sie wünschten, heißt es weiter, alles ginge schnell vorbei. Bislang hätten sie bei Meteomedia alles «einigermaßen im Griff», obschon «die Berichterstattung über das Verfahren und Dein Privatleben für alle eine sehr große Belastung» darstelle. Der Geschäftsführung sei es gelungen, «die Kunden bei der Stange zu halten» und in den Medien «die Botschaft zu platzieren, dass die Firma ihre Dienstleistungen auch in Deiner Abwesenheit sehr gut erbringen kann». Das habe ihnen allen Sicherheit gegeben.
Seit Freitag allerdings, steht dann im Schreiben, passierten «mysteriöse Dinge». Das Büro der Geschäftsführerin in Bochum sei «versiegelt» worden. Ein «Überfallkommando» habe die Mitarbeiter dort «in Angst und Schrecken versetzt». Die deutsche Geschäftsführerin Kristina Schleß sei seither nicht mehr erreichbar und Frank-B. Werner sei nicht mehr aufgetaucht. Genaueres zu den Vorfällen schreiben die Mitarbeiter nicht.
Tagelang, wochenlang warten die Unterzeichner des «Mitarbeiter-Briefs an Jörg Kachelmann» auf eine Antwort. Vergebens. Den Chef, der in den ersten sieben Wochen seiner Haft nichts von sich hören hat lassen, plagen wohl andere Sorgen. Schon bald erfolgt die Anklage. Die Neuigkeit entnehmen Kachelmanns Angestellte den Medien – wie immer.
Am Sonntag, den 16. Mai 2010, wendet sich Peter Balsiger in einer ausführlichen und stellenweise persönlichen E-Mail an Martin Kurer. Ein Monat ist seit den Gedanken über einen «nuklearen Erstschlag» verstrichen, der Mitarbeiterbrief an Kachelmann ist vier Tage alt. Balsiger schreibt nun, er betrachte «aus der Ferne mit Fassungslosigkeit», dass bei Meteomedia «Auflösungserscheinungen erkennbar seien». Die Anliegen der Angestellten, findet er, sind «von echter Sorge getragen». Auch er frage sich, weshalb Jörg Kachelmann «den Weg der Konfrontation gewählt» habe. Er riskiere, «die Firma kaputt zu machen».
Balsiger bemüht die Vergangenheit: Kachelmann sei einer seiner ältesten «Weggefährten». Er habe ihn in den 80er-Jahren gewissermaßen «entdeckt», als er den jungen Mann, der gerade sein Geografiestudium abgebrochen hatte, für die Wetter-Seite zum «Sonntags-Blick» holte. Kachelmann habe sich für ihn als Chefredakteur als «Glücksfall» erwiesen. Er entwickelte sich «zu einem außerordentlich innovativen und hartnäckigen investigativen Reporter».
Jahre später, 1999 in Hamburg, hätte ihm Jörg Kachelmann von Problemen in seiner Firma erzählt, «die ihn offensichtlich überforderten». Er, Balsiger, sei daraufhin bei Meteomedia eingestiegen. Er habe Kachelmann mit einem weiteren Investor zusammengebracht,«der mit seiner Beteiligung die Firma gerettet hat: Frank Werner». In den Jahren, «als Kachelmann in Kanada seinen vorwiegend privaten Hobbys nachging», habe Werner die Firma nicht nur «souverän geleitet, sondern auch zu einer Erfolgsstory gemacht».
Nach der Verhaftung hätten sie alle für Kachelmann gekämpft, doch Kachelmann habe sich «befremdlich und enttäuschend», ja «beschämend» verhalten – indem er sich gegenüber den Mitarbeitern abgeschottet habe, indem er sich Notfallplänen verschloss, indem
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