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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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Haus unterschreiben zu lassen. Sie nahm auch wieder Kontakt zum Zürcher Rechtsanwalt Matthias Schwaibold auf, der sie früher in einer juristischen Angelegenheit beraten hatte. Bald tauschten sich zwei Enttäuschte über den Inhaftierten aus.
    Nach innerem Ringen vereinbart Heidi T. am 26. April 2010 mit der Polizei aus Schwetzingen, sich auf halbem Weg am Bodensee zu treffen. Auf der Polizeidienststelle in Singen sagt sie am 28. April 2010 gegenüber den angereisten Schwetzinger Beamten aus, sie traue Jörg Kachelmann eine Vergewaltigung zu.
    Vier Tage später fragt die «Bild am Sonntag»: «Ist diese Melkerin Kachelmanns Geliebte Nr. 7?» Im «BamS»-Text vom 2. Mai 2010 werden keine pikanten Details aus dem Sexualleben preisgegeben, aber es heißt, dass Kachelmann mit der «Melkerin», einer Schweizerin, «ein zurückgezogenes Leben geführt» und «für sie eine heile Welt» geschaffen habe. Abgebildet, beim Melken, ist Heidi T.
    Aus ihrem Aussageprotokoll erfahren Kachelmanns Anwälte, dass sie mit Rechtsanwalt Schwaibold in Verbindung steht. Spätestens jetzt hegen sie den Verdacht, dass ein großes Komplott gegen den Inhaftierten geschmiedet wird. Vielleicht passieren deshalb eine Woche nach der Vernehmung in Singen in Bochum «mysteriöseDinge». Vermutlich suchen Medienanwalt Höcker und seine Begleiter nach belastendem Material.
    Jedenfalls hat ab sofort nicht mehr Werner, sondern der bisherige Finanzchef Steffen im Tagesgeschäft bei Meteomedia das Sagen. Norbert Steffen hatte sich im Machtkampf zuerst auf keine Seite gestellt, sich dann aber Kachelmanns Seite zugewandt. Nicht mehr als Teil eines möglichen Komplotts wird Kristina Schleß gesehen. Als neuer Geschäftsführer lässt Steffen verlauten, sie sei nicht abgesetzt: Seine deutsche Kollegin habe die Arbeit nur wegen eines «kurzen urlaubsbedingten Unterbruchs» ruhen lassen.
    Auf dem Berg gehen die Turbulenzen weiter. Am 1. Juli 2010 erhalten die vielen deutschen und schweizerischen Zeitungen, die ihre Wetterseiten aus dem Appenzellerland beziehen, ein Schreiben. Meteomedia-Geschäftsführer Steffen teilt mit, «Kooperationspartner MediaDesign» sei «nicht überlebensfähig». Um die Zeitungen «aus den Wirren einer Insolvenz herauszuhalten», liefere Meteomedia – und nicht mehr MediaDesign – ab sofort die Wetterseiten. Die Verlage sind überrascht und ratlos.
    MediaDesign ist die Firma der Exfrau von Jörg Kachelmann, der Lebensgefährtin von Frank-B. Werner. Von MediaDesign bekommen dieselben deutschen und schweizerischen Zeitungen nur Stunden später auch ein Schreiben. Sie reagieren noch überraschter und ratloser. «Wir bedauern», lesen sie, «dass Sie als langjährige Kunden von MediaDesign heute in eine unangenehme Auseinandersetzung zwischen MediaDesign und Meteomedia involviert werden.» Bei der Behauptung, MediaDesign stünde vor der Insolvenz, handle es sich «um eine Lüge von Herrn Steffen». Nie sei verabredet worden, dass Meteomedia die Lieferung der Wetterseiten übernehme. Alles laufe wie bisher.
    Noch am selben Tag tritt Frank-B. Werner als Meteomedia-Verwaltungsrat zurück.
    Drei Tage später erhalten dieselben Zeitungen einen dritten Brief – diesmal gemeinsam unterzeichnet von der MediaDesign-Chefin und von Meteomedia-Geschäftsführer Steffen. «Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen», steht darin, «dass wir die Turbulenzender letzten Tage auflösen konnten.» Beide Firmen würden «auch in Zukunft» zusammen die Wetterseiten produzieren. MediaDesign sei «entgegen anders lautender Schreiben zu keinem Zeitpunkt durch eine Insolvenz bedroht» gewesen.
    Frank-B. Werner kehrt nicht mehr in den Verwaltungsrat des Wetterdienstleisters zurück. Er beteiligt sich aber noch an Planungen für eine neu aufgestellte «Meteomedia 2.0». Gemäß einem ersten Konzept braucht die Firma «eine neue Galionsfigur». Jörg Kachelmann soll – so eine Variante im Falle eines Freispruchs – eventuell noch von Nordamerika aus eingesetzt werden.
    Im Hochsommer 2010 böte eine Generalversammlung in der JVA Mannheim den Rahmen, in dem sich die Beteiligten auch über solche Ideen aussprechen könnten. Kurz davor erscheinen erste Presseberichte über die bevorstehende «GV hinter Gittern». Journalisten, die sich nach der ungewöhnlichen Aktionärsversammlung erkundigen, gibt Meteomedia jedoch bald die Auskunft, die Generalversammlung finde nicht statt. Geschäftsführer Steffen lässt auch Werner wissen, die Versammlung werde abgesagt.

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