Die Akte Kachelmann
worden, sich nicht zu den «Ungereimtheiten, die uns allen ja auf den ersten Blick auffallen», zu äußern.
Stattdessen hätten sie «auch über geschäftliche Dinge geredet» und «verschiedene Szenarien durchgesprochen». Es gehe darum, «dass die Firma wetterfest bleibt». Konkreter wurde Frank-B. Werner in der E-Mail an die Mitarbeiter nicht. Er schrieb nur noch: «Maßnahmen und Geschwindigkeit» würden «vom weiteren Gang der Ereignisse diktiert». Er vertraue darauf, dass Meteomedia «im Sinne von Kachelmann und der Firma die beste Lösung finden wird».
In welche Richtung es gehen sollte, ließ sich allerdings am Tag von Werners Gefängnisbesuch der «Bild»-Zeitung entnehmen. «100 Mitarbeiter in Sorge», stand dort groß neben einem Archivfoto eines im Platzregen stehenden Jörg Kachelmann. Und noch größer: «Was wird aus Kachelmanns Wetterimperium?» Im Springer-Blatt «Bild» wurde der Axel-Springer-Financial-Media-Chef Werner zitiert, dass er bei Meteomedia «das Kommando übernommen» habe. Kachelmann sei «das Aushängeschild der Firma, aber nicht die zentrale Figur», soll Werner gesagt haben. «Er hat die Firma 1990 gegründet, aber schon länger nicht mehr die Mehrheit.»
Das war ein Irrtum mit Folgen. Jörg Kachelmann hält zwar nur 49 Prozent Anteile an seiner Firma. Aber während der wechselhaften Unternehmensgeschichte hatten viele den Überblick über die Besitzverhältnisse bei der Jörg Kachelmann Produktions AG und bei Meteomedia verloren. Ein kleiner Teil der Aktien gehören weder Kachelmann noch Werner noch Peter Balsiger, dem dritten Teilhaber. Wenige Prozent der Anteilscheine liegen bei der Firma selbst, ohne dass jemand darauf ein Stimmrecht ausüben kann. Die Folge ist: Jörg Kachelmann kann mit seinen 49 Prozent schalten und walten, wie er will. Mit einer relativen Aktienmehrheit beherrscht er den Berg.
Frank-B. Werner und Peter Balsiger besitzen zusammen zwar fast so viele Anteile wie er, aber eben nur fast. Und so können sie nichts gegen den Willen von Häftling H 08 1008 100 553 ausrichten. Doch Werner schien sich dessen nicht bewusst zu sein, als er «Bild» Auskunft gab und als er seinem Weggefährten in der JVA gegenüber saß. Er könne «mit seinen Aktien seine Toilette tapezieren», wird viel später ein Schweizer Jurist in Kachelmanns Diensten spötteln.
Werner hatte «Bild» vor seinem Besuch im Mannheimer Gefängnis über Jörg Kachelmanns Funktion außerdem gesagt: «Die Überschätzung seiner Bedeutung ist für die Firma problematisch. Wir müssen seine Rolle jetzt neu definieren.» Doch auch davon steht kein Wort in der E-Mail an «everybody». Dort heißt es ganz am Schluss nur noch, «JK», lasse alle grüßen, er danke für die Solidaritätund sei, «weil unschuldig, fest überzeugt, dass dieser Albtraum ein schnelles Ende finde».
Was in Werners nächtlicher E-Mail nach einem harmonischen Treffen in schwierigen Zeiten klang, war keines. Jörg Kachelmann und Frank-B. Werner waren sich alles andere als einig über den Kurs, der einzuschlagen wäre, damit die Firma wetterfest bleibt. Mehr noch: Hinter Gittern muss es zwischen den Geschäftsfreunden zum Eklat gekommen sein. Jörg Kachelmann hatte sich – sofern die Erzählungen stimmen, die später auf dem Berg kursieren – sogar vor Ablauf der Stunde Besuchszeit vom Vollzugsbeamten in seine Zelle abführen lassen. Damit war die Diskussion beendet.
Jörg Kachelmann hatte sich geweigert, an den Sofortmaßnahmen mitzuwirken, welche die Meteomedia-Spitze ohne ihn diskutiert hatte. Die seine Rolle betreffenden Szenarien gingen ihm zu weit. Die Geschäftsführerin von Meteomedia Deutschland hatte sie in einem E-Mail-Protokoll stichwortartig zusammengefasst:
«1. Aufhebung des Dienstverhältnisses …, das heißt, Beendigung der Tätigkeit als Moderator und Meteorologe.
2. Abberufung von JK als Verwaltungsrat … + Bestellung Hr. Balsiger als neuen Verwaltungsrat. Alleinvertretungsbefugnis für fbw …, damit die Gesellschaft handlungsfähig ist.
3. Abtretung der Anteile an der JKP (zu klären: an wen? Gegenleistung? Vorschlag Frank: er kauft und übernimmt dafür die RA-Kosten).»
Jörg Kachelmann – so die Idealvorstellung der verbliebenen Meteo-media-Spitze – sollte seine Funktionen bei Meteomedia freiwillig niederlegen beziehungsweise ruhenlassen. Frank-B. Werner würde seine Anteile an der Jörg Kachelmann Produktions AG – zumindest vorübergehend – übernehmen und ihm im Gegenzug die
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