Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
seiner Comic-Hefte. Immerhin wusste er, wann er gegen die höchste Familieninstanz verloren hatte.
Lukas zuckte bedauernd mit den Schultern und sah sich nach dem Eiswagen mit seiner rotweißen Markise um. Er parkte in gut einhundert Metern Entfernung. Bis er dort angelangt war, hatte sich bereits eine beachtliche Schlange davor gebildet.
„Grüß Sie Gott, Herr von Stetten. Was für ein wunderbarer Tag. Sind Sie auch mit Ihrer Familie da?“, wurde er von dem Vater einer seiner Schüler begrüßt. Seit seinem Austritt aus dem Jesuitenorden arbeitete Lukas als Lehrer für Geschichte und Ethik am Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg.
„Ja, mit Frau und Sohn. Haben Sie Lust, später mit uns Fußball zu spielen? Wir sind dort hinten.“ Er wandte sich halb um, um ihm die Richtung anzuzeigen. Aber ein Reinigungswagen der Städtischen Abfallwirtschaft hatte genau vor ihrem Platz haltgemacht und versperrte ihm die Sicht auf seine Familie.
„Gerne, wir sehen uns dann nachher. Ich bringe meine beiden Söhne und deren Freund mit.“
„Prima, dann können wir drei gegen drei spielen“, freute sich Lukas und war an der Reihe, sein Eis zu bestellen.
Mit zwei Eistüten in der Hand kehrte er zurück. Der Reinigungswagen kam ihm auf halbem Weg entgegen und Lukas trat zur Seite, um ihn passieren zu lassen. Dann erst bemerkte er, dass weder Magali noch Matti zu sehen waren. Der Picknickkorb, Magalis Strickjacke, die Tupperschüssel mit dem Kuchen, alles war da, sogar Mattis Spiderman-Heft lag noch aufgeschlagen auf der Decke.
Der junge Vater vermutete, dass die beiden zu der öffentlichen Toilette gegangen waren. Es musste wohl sehr dringend gewesen sein, wenn Matti nicht auf sein Eis hatte warten können. Da das Schokoladeneis bereits zu schmelzen begann, beschloss Lukas, den beiden entgegenzugehen.
Er erreichte die Anlage, ohne dass ihm Frau und Sohn auf seinem Weg begegnet wären. Dafür traf er unterwegs drei seiner Schülerinnen. Die Teenager trugen die übliche Uniform ihrer Generation: Tief auf der Hüfte sitzende Jeans, bei deren Anblick man sich unwillkürlich fragte, wie sie der Schwerkraft trotzten, dazu bauchfreie Tops, die den Blick auf fantasievoll gepiercte Bauchnabel lenken sollten. Lukas war dafür nicht anfällig.
Die Mädchen kicherten, als sie ihren gut aussehenden Lehrer erblickten. Die geheimnisvolle Aura, die Lukas als ehemaligen Priester umgab, spielte sicherlich keine unwesentliche Rolle in ihren Tagträumen. Lukas indessen, der sich selbst nie Gedanken über sein Aussehen oder die verheerende Wirkung machte, die seine blauen Augen unter den Mädchen seiner Schule hervorriefen, hastete an ihnen vorbei, ohne sie wahrzunehmen.
Enttäuscht blickten ihm die Mädchen nach. Noch nicht einmal ihren Gruß hatte er erwidert! Dabei war er doch sonst immer so höflich … Wenigstens sorgte diese Begegnung für die nächsten zwei Stunden für ausreichend Gesprächsstoff unter den dreien.
Lukas hatte die öffentliche Toilettenanlage erreicht. Suchend sah er sich um. Inzwischen schleckte er an beiden Tüten gleichzeitig und seine Ungeduld wuchs im gleichen Maße, wie das Eis weniger wurde.
„Entschuldigen Sie bitte“, wandte er sich an eine ältere Dame, die gerade heraustrat. „Haben Sie da drin vielleicht eine blonde Frau mit einem kleinen blonden Jungen in einem Spiderman T-Shirt gesehen?“
„Tut mir leid.“ Die Frau schüttelte bedauernd den Kopf. „Soll ich noch mal reingehen und nachsehen?“, bot sie mit einem verstehenden Blick auf seine tropfenden Eistüten an.
„Ach bitte, das wäre sehr nett von Ihnen.“ Dankbar lächelte er sie an.
Kurz darauf kehrte sie zurück und meinte: „Tut mir leid, niemand, auf den Ihre Beschreibung passen würde.“
„Trotzdem, haben Sie vielen Dank.“ Lukas umrundete einmal langsam das Häuschen und sah sich dabei nach allen Seiten um. Nichts. Keine Magali, kein Matti.
Er warf die beiden Eistüten in den nächsten Mülleimer und lief zum Picknickplatz zurück. Sicherlich hatten sie sich nur verpasst und die beiden warteten bereits ungeduldig auf ihn. Doch schon von weitem konnte er erkennen, dass der Platz auf der Decke nach wie vor leer war. Ob Magali Freunde getroffen hatte und kurz mit ihnen gegangen war ? überlegte er.
Dann kam ihm eine Idee und er suchte die Decke und auch rundherum alles ab – womöglich hatte Magali ihm eine Nachricht hinterlassen, die er vorhin übersehen hatte. Er fand nichts. Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass
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