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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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prüfte und den Ölstand, nahm Rath sich die Zeit und blätterte durch die beiden Aktenordner, die Robert Naujoks ihnen mitgegeben hatte. Auch wenn der Ruheständler ihnen nicht alles gesagt haben mochte, was er dachte, so hatte er ihnen doch ohne Murren die beiden Ermittlungsakten überlassen, die er sich bei seiner Pensionierung unter den Nagel gerissen hatte, die Akte, deretwegen sie ihn besucht hatten, und die Todesfallermittlung Radlewski, die am Landgericht Lyck angesiedelt war und auf die sie sonst wohl nicht so ohne Weiteres gestoßen wären.
    Auf den ersten Blick gaben die Akten nicht viel her. Das gerichtsmedizinische Gutachten sprach eindeutig gegen Naujoks’ Theorie. Immerhin hatte der Polizeimeister seinerzeit noch eine chemische Analyse des beschlagnahmten Schwarzbrandes veranlasst, die einen gefährlich hohen Methanolanteil ergeben hatte, der durchaus auch tödlich wirken konnte.
    Dieses Gutachten aber fand sich nur in der Schwarzbrand- und nicht in der Todesfallermittlungsakte. Sonst schien im Jahr 1924 auch niemand an dem gepanschten Zeug gestorben zu sein, obwohl einige Flaschen bereits im Verkehr gewesen waren. Vielleicht war es doch nur eine fixe Idee, in die sich Polizeimeister Naujoks da verrannt hatte. Aber wenn Artur Radlewski sich genauso in diese Idee verrannt haben sollte, wenn er ähnliche Schlussfolgerungen gezogen hatte, dann hätte er durchaus ein Mordmotiv.
    Die Geschichte, die Kowalski erzählt hatte, von diesem Naturburschen, der wie ein Indianer in den Wäldern lebte, klang recht abstrus, es war nicht einmal klar, ob der Mann noch lebte, aber immerhin hatten sie endlich mal überhaupt so etwas wie eine Spur. Den ersten Menschen, der ein Motiv hätte, die drei mutmaßlichen Schwarzbrenner zu töten. Rath fragte sich, ob der gepanschte Alkohol womöglich noch andere Opfer gefordert hatte. Opfer, von denen Robert Naujoks nichts wusste, von denen womöglich nicht einmal die drei Schwarzbrenner etwas gewusst hatten.
    Das Verfahren gegen Lamkau, Simoneit und Wawerka jedenfalls war irgendwann eingestellt worden. Ob Gustav Wengler seine Mitarbeiter auch deshalb in den Westen geschleust hatte, weil er Racheaktionen befürchtete? Durch Radlewski? Hatte den schon seit Ewigkeiten niemand mehr gesehen, weil er in Berlin, Dortmund und Wittenberge Menschen umbrachte? Andererseits konnte das auch bedeuten, dass der Kaubuk längst tot war.
    Rath merkte, wie seine Gedanken sich im Kreis drehten, er musste mehr über diesen Mann erfahren, diesen masurischen Indianer. Er wartete, bis der Tankwart die Windschutzscheibe geputzt hatte, bezahlte ihn und ließ sich eine Quittung geben. Dann fuhr er auf die Landstraße Richtung Süden. Schilder wiesen den aufmerksamen Kraftfahrer auf die nur sechzehn Kilometer entfernte Grenze zu Polen hin.
    Wielitzken erreichte er nach wenigen Minuten über eine schnurgerade, leicht abschüssige Allee, die erst kurz vor dem Dorf eine umso schärfere Kurve beschrieb. Das Schulhaus, ein flaches, lang gestrecktes Gebäude, stand in der Nähe einer uralten Holzkirche, die sich etwas abseits der Straße leicht erhöht hinter ein paar alten Bäumen versteckte.
    Rath fand den Dorflehrer nicht in seiner Wohnung, sondern im geräumigen Klassenzimmer. Auf dem Lehrerpult vor der Tafel hatte Rammoser ein halbes Chemielabor aufgebaut, Röhren und Fläschchen, die in einer fragilen Konstruktion miteinander verbunden waren. In einem großen Glasbehälter kochte und blubberte eine trüb braune Flüssigkeit vor sich hin, ein weiterer, kleinerer Glasbehälter fing Tröpfchen für Tröpfchen eines glasklaren Destillats ein.
    Rammoser roch gerade an einem Reagenzglas, als Rath den Raum betrat. Der Lehrer schaute überrascht auf.
    »Herr Kommissar! Schön, dass Sie mich besuchen. So früh habe ich gar nicht mit Ihnen gerechnet. Schon Feierabend?«
    »Tut mir leid, wenn ich Sie bei Ihren Experimenten störe. Sind das Unterrichtsvorbereitungen?«
    »Eher ein Steckenpferd«, sagte Rammoser. »In den Ferien kann ich den Klassenraum für so etwas nutzen.«
    »Dann ist an Ihnen ein Chemiker verloren gegangen.«
    »Weniger.« Rammoser lachte und winkte mit dem Reagenzglas. »Wenn Sie mal riechen wollen?«
    Rath schnupperte an der Flüssigkeit. Der Geruch kam ihm äußerst vertraut vor.
    »Ääh … Sie brennen da Schnaps!«
    »Richtig.«
    »Das ist illegal!«
    »Ach was?« Rammoser zuckte die Achseln. »Wo kein Kläger, da kein Richter. Das machen viele hier in dieser Gegend.«
    »Manchmal sterben

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