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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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geschahen andere mysteriöse Dinge in den Wäldern. Einmal wurde der Kadaver einer Elchkuh gefunden, der das komplette Fell fehlte und die besten Stücke Fleisch. Und immer wieder Fallen, die von einer primitiven, aber gleichwohl präzisen Bauart waren.«
    »Und das alles stammt von Artur Radlewski?«
    Rammoser zuckte die Achseln. »Niemand weiß das mit Bestimmtheit. Und die Leute, die die alten Geschichten kennen, werden auch immer weniger. Seit vielen Jahren schon hat ihn niemand mehr gesehen, für die meisten ist er inzwischen wirklich eine Sagengestalt, ein Gespenst. Einige behaupten, Radlewski ist längst tot oder ausgewandert.«
    »Aber Sie glauben nicht an seinen Tod, das sehe ich Ihnen an. Sie glauben, dass er immer noch da draußen durch die Wälder streift.«
    Rammoser schmunzelte das erste Mal, seit er begonnen hatte, die Geschichte von Artur Radlewski zu erzählen. »Man merkt, dass Sie Polizist sind, Herr Rath, man kann Ihnen nuscht vormachen.«
    Er schenkte noch einmal von seinem Selbstgebrannten ein. Rath merkte, dass er langsam betrunken wurde, aber irgendwie war das ein gutes Gefühl, es brachte ihm diese fremde Welt hier auf eine seltsame Art und Weise näher, er fühlte sich mit allem im Reinen, fühlte sich plötzlich in Masuren zu Hause, als habe er nie anderswo gelebt.
    »Sie haben recht«, fuhr Rammoser fort, »ich glaube nicht, dass Artur tot ist. Ich glaube, dass er inzwischen nur gelernt hat, sich so gut zu verstecken und seine Spuren zu verwischen, dass ihn niemand mehr zu Gesicht bekommt.«
    »Wie ein Indianer eben.«
    »Ganz genau.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    »Nun … Lassen Sie mich eine andere Geschichte erzählen …« Rammoser hob sein Glas. »Wir haben in Treuburg eine Leihbücherei. Aus der verschwinden alle paar Monate aus unerklärlichen Gründen immer ein paar Bücher. Kein Mensch hat je herausbekommen, wie sie verschwinden, fest steht nur, dass sie verschwinden. In regelmäßigen Abständen fehlen des Morgens plötzlich drei, vier Titel aus dem Bestand. Wie von Geisterhand. Und, was die Sache noch merkwürdiger macht: Am selben Morgen findet die Bibliothekarin jedes Mal auf ihrem Schreibtisch einen Bücherstapel – alles Titel, die Wochen zuvor noch zum Diebesgut gehörten. Allesamt Indianerbücher.«
    Rath musste lachen. »Es ist ja auch immerhin eine Leihbücherei«, sagte er. »Und Sie meinen, ein Mensch, der sich in die Wildnis zurückgezogen hat, kann so viele Bücher lesen?«
    Rammoser zuckte die Achseln. »Ich würde sogar sagen: Er muss , will er nicht vor Einsamkeit krepieren.«
    39
    L ange machte ein derart bestürztes Gesicht, als er sie erblickte, dass sie sich fragte, was los sein mochte. Bis sie merkte, dass sie der Grund war.
    »Haben Sie geweint?«, fragte der Kriminalassistent, als er aufstand, um sie zu begrüßen, und Charly musste lachen.
    »Nein«, sagte sie. »Zwiebeln geschnitten.«
    Dabei hatte sie heute zunächst in der Salatküche mithelfen dürfen, was deutlich mehr Spaß machte. Sie war gerade mit der Küchenhilfe am Nebentisch einigermaßen warm geworden und hatte das Mädchen in ein Gespräch verwickelt, da hatte Unger sie wieder zum Zwiebelschneiden abkommandiert. Charly hatte den Eindruck gewonnen, er mochte es nicht, wenn seine Mitarbeiter zu viel miteinander sprachen.
    Lange rückte den Stuhl für sie zurecht wie ein Kavalier alter Schule, und sie setzte sich. Sie hatten sich für das Café Schottenhaml am Kemperplatz entschieden, ein Lokal, in dem sie notfalls auch als verliebtes Pärchen durchgegangen wären, sollte wider Erwarten doch ein Mitarbeiter der Zentralküche dort auftauchen und sie erspähen. Allerdings war damit kaum zu rechnen. Das Schottenhaml, modern, gediegen, elegant, war kein Lokal für Küchenpersonal.
    »Ich dachte nur … Ihre Augen …«
    »Sie haben recht, wie ein verliebtes Pärchen wirken wir so nicht. Es sieht eher so aus, als hätten wir uns gerade tränenreich getrennt.«
    Lange wurde rot. »Na ja«, sagte er und setzte sich, »Hauptsache, man hält uns nicht für Polizisten.«
    Charly öffnete ihr Zigarettenetui. »Was machen eigentlich die Ermittlungen in Ostpreußen?«, fragte sie, so gleichgültig wie möglich. »Hat Kommissar Rath sich schon gemeldet?«
    Lange schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ist ja auch erst zwei Tage da.«
    »Aber dass er angekommen ist, das wissen Sie?«
    »Das hat uns die Treuburger Polizei schon gemeldet. Ein Polizeimeister Grigat. Schien ziemlich neugierig zu sein, warum

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