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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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sie auch daran in dieser Gegend.«
    »Glauben Sie, ich brenne irgendeinen Fusel? Das Rezept stammt von meinem Vater!«
    »Ihr Vater war Brennmeister von Beruf?«
    »Mein Vater, Gott hab ihn selig, war Dorflehrer. Wie ich. Im selben Dorf, hier in dieser Schule. Ein rechtschaffener Mann, der sich seinen Schnaps selbst gebrannt hat.«
    »Schon gut, ich will weder Ihren Vater beleidigen, noch will ich Sie einsperren …«
    »Das wäre auch noch schöner, wo ich Ihnen gestern sozusagen das Leben gerettet habe.«
    »… obwohl ich durchaus auch dienstlich hier bin.«
    »Schade. Und ich wollte Ihnen gerade einen Schluck anbieten. Damit Sie sich selbst davon überzeugen können, dass das hier ein Qualitätsobstbrand ist. So was finden Sie im Handel gar nicht.«
    Rammoser hielt ihm das Glas hin.
    »Probieren Sie mal einen Schluck, dann wissen Sie, warum ich mir diese Arbeit hier mache.«
    Rath zuckte die Achseln. »Wenn Sie mir garantieren, dass man von diesem Zeug nicht blind wird.«
    »Blind werden Sie nicht, das kann ich Ihnen garantieren.« Der Lehrer grinste. »Alles andere nicht.«
    »Dann nehme ich vielleicht doch ein Glas.«
    »Ich denke, Sie sind im Dienst?«
    »Ich habe ohnehin schon zu viele Überstunden, ich kann mich auch privat mit Ihnen unterhalten.«
    Rammoser stellte die Flamme ab und drehte an ein paar Hähnen seiner Apparatur. »Kommen Sie, wir gehen nach drüben. Erna kann uns ein kleines Abendbrot zubereiten. Und bis dahin genehmigen wir uns einen.«
    Der Lehrer ging zu der Ecke hinüber, in der sich während des Schuljahres wahrscheinlich die ungezogenen Schulkinder schämen mussten, in der nun aber eine ganze Batterie verkorkter Flaschen stand, und pickte eine heraus.
    Kurz darauf saßen sie in der gemütlichen Stube der Lehrerwohnung, die Flasche auf dem Tisch und jeder ein kleines Glas vor sich. Rammoser hatte nicht übertrieben, er verstand wirklich etwas vom Schnapsbrennen. Sein Birnenschnaps schmeckte unglaublich mild und verbreitete eine angenehme Wärme im gesamten Körper.
    »Das brauchen Sie hier ab und zu«, sagte Rammoser. »Vor allem im Winter. Der ist hier nämlich lang und kalt. Sie befinden sich in der kältesten Region Deutschlands.«
    »Den Eindruck hatte ich heute nicht.«
    »So schwül ist es hier nicht immer. Da liegt ein Gewitter in der Luft, wenn das vorbei ist, dann wird’s wieder angenehmer.« Rammoser schenkte nach. »Aber Sie sind sicher nicht hergekommen, um mit mir übers Wetter zu reden.«
    »Nein.« Rath schüttelte den Kopf. »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich hoffe, dass Sie mir vielleicht etwas über Artur Radlewski erzählen können. Der soll hier aus dem Dorf stammen?«
    Rammoser warf ihm einen Blick zu, der ebenso Überraschung wie Misstrauen ausdrückte. »Was hat denn Artur mit Ihrer Geschichte zu tun?«
    »Ich weiß es nicht. Möglicherweise hat der Tod seiner Mutter etwas damit zu tun. Kannten Sie ihn?«
    »Mein Vater hat ihn sogar unterrichtet, damals vor dem Krieg. Ein hochintelligenter Junge, aber sehr verschlossen.«
    »Kein Wunder, bei der Familie«, meinte Rath, »die Mutter Alkoholikerin …«
    »Die Mutter war nicht das Problem«, unterbrach Rammoser. »Ich weiß nicht, welche Geschichten Sie gehört haben, aber damals, als Artur noch bei ihr lebte, rührte sie keinen Alkohol an. Ihr Mann war der Säufer. Und leider nicht nur das. Friedrich Radlewski war auch ein brutales Schwein, der immer, wenn ihm danach war, seine Frau blau und blutig schlug. Und wer weiß, was er noch alles machte, vor den Augen des Kindes. Wer weiß, wie oft der Junge seiner Mutter hat helfen wollen und dafür Prügel bezog.« Der Lehrer trank endlich auch einen Schluck. »Mein Vater hat versucht, dem alten Radlewski ins Gewissen zu reden, aber vergeblich. Am nächsten Tag kam der kleine Artur entweder gar nicht in die Schule oder aber mit schlimmen Blessuren, die er sich alle angeblich bei einem Sturz vom Heuboden zugezogen hatte. So wurde der Junge mit den Jahren immer verschlossener und flüchtete sich in seine Bücher. Indianerbücher. Die waren sein Ein und Alles, und mein Vater versorgte ihn mit allen Titeln, die er bekommen konnte, angefangen bei Karl May, doch Artur wollte schon bald anderes lesen, echte Reiseberichte, die Wahrheit über die Kultur der nordamerikanischen Indianer.«
    »Dann hat er schon damals Indianer sein wollen …«
    Rammoser zuckte die Achseln. »Jedenfalls hat er sich weggeträumt aus seiner Welt. Und mein Vater hat ihm dabei geholfen. Ich weiß

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