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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Blut. Nicht ganz das, was man zu dieser Tageszeit riechen wollte.
    Ein Mitarbeiter in einem weißen Kittel führte Andreas Lange durch eine kühle Lagerhalle, in der blutige, gehäutete Kadaver an der Decke hingen, und dann durch einen Raum, in denen ebenso weiß bekittelte Menschen damit beschäftigt waren, etliche dieser Tierkadaver auf großen Tischen in kleine Stücke zu hacken.
    Andreas Lange spielte mit dem Gedanken, es heute in der Kantine bei einem leichten Salat bewenden zu lassen. Das Büro lag hinten am anderen Ende des Gebäudes, und er fragte sich, ob man es auch ohne den Weg durch diese Hallen erreichen konnte.
    Die Firma Feinkost Fehling hatte ihren Sitz in Tegel, am Nordrand der Stadt, und Lange hatte sich einen Dienstopel besorgen müssen, um hier rauszufahren. Franz Fehling war ein älterer Herr mit einem gepflegten weißen Bart, der seriöser wirkte als ein evangelischer Pastor. Und ebenso salbungsvoll sprach.
    »Ich wundere mich, dass die Polizei sich um diese Sache kümmert«, sagte er. »Das liegt doch schon über ein Jahr zurück. Überdies war ich der Ansicht, wir hätten damals alle Zwistigkeiten zwischen der Firma Fehling und dem Betrieb Kempinski wieder bereinigt. Es wundert mich sehr, dass Kempinski es nun offenbar doch für nötig hält …«
    »Kempinski hat gar nichts für nötig gehalten«, unterbrach Lange den Firmenchef. »Die Berliner Kriminalpolizei ist aus eigenem Antrieb hier.«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
    »Das müssen Sie auch nicht. Es reicht, wenn Sie Fragen beantworten.« Diesen Satz hatte Lange einmal bei Kommissar Rath aufgeschnappt. Meist funktionierte es, sich damit Respekt zu verschaffen. Und den Gesprächspartner gleichzeitig zu verunsichern. Wenn man das denn brauchte.
    Bei Franz Fehling funktionierte es, das sah Lange an dem irritierten Blick des Mannes und an seiner Körperhaltung. Unmerklich war der Firmenchef, eben noch arrogant und aufrecht, ein Stück in sich zusammengesunken. Ein kleines Stück nur, aber Lange hatte es bemerkt.
    »Sie beliefern Kempinski seit wann?«
    »Seit fast zehn Jahren. Mit stetig steigendem Umsatz, wenn ich das sagen darf. Wildgerichte werden immer beliebter. Jedenfalls in der gehobenen Küche.«
    Lange machte sich Notizen. Auch das konnte einen Gesprächspartner nervös machen. Vor allem, wenn man sich Zeit dabei ließ und so viel hinschrieb, dass das Gegenüber sich fragte, was zum Teufel man da bloß alles notierte.
    »Vor besagtem Fall im Mai einunddreißig«, fuhr Lange nach einer ganzen Weile fort, »hatten Sie da schon einmal Beschwerden ähnlicher Art? Von Kempinski? Oder auch von anderen Kunden?«
    »Beschwerden gibt es natürlich immer mal wieder …«
    »Natürlich.«
    »Aber solch schwerwiegende …« Fehling schüttelte energisch den Kopf. »Zwanzig Kilo Damwild, und das ganze Fleisch wimmelte von Maden. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie die da hineingekommen sind.«
    »Na, da werden wohl irgendwelche Fliegen ihre Eier hineingelegt haben.«
    »Ach, hören Sie auf!« Fehling wurde laut. »Wir nehmen von jeder Marge eine Probe. Was meinen Sie, wie streng die Vorschriften sind? Wir haben nichts gefunden, nicht die kleinste Verunreinigung. Erst im Haus Vaterland tauchte das Problem auf. Und dann gleich so gewaltig. Eine einzige Katastrophe.« Er schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie denn zurückverfolgt, woher das Damwild kam?«
    »Selbstverständlich! Das Fleisch stammte aus einer Zucht im Raum Soldin. In der Neumark.«
    »Eine Zucht? Ich dachte, Wild wird im Wald geschossen.«
    Fehling wirkte leicht pikiert. »Natürlich können wir den großen Bedarf an Wild in einer Viermillionenstadt nicht allein durch die Jagdreviere der Umgebung decken«, sagte er. »Außerdem können Sie das Fleisch besser verarbeiten und müssen nicht erst die Schrotkugeln herauspicken.«
    Lange machte sich wieder ein paar Notizen, Fehling schielte nervös auf den Block, doch der Kommissaranwärter wusste, dass er nichts erkennen konnte, selbst wenn es ihm gelingen sollte, um die Ecke zu gucken. Die Schrift von Andreas Lange konnte kein Mensch lesen, manchmal nicht einmal er selber.
    »Dann ist das also üblich? Wild wie normales Viehzeug zu halten und zu schlachten statt zu schießen?«
    »Was heißt üblich? Der Endkunde sollte es natürlich nicht unbedingt wissen.«
    »Und der Zwischenkunde?«
    »Wie meinen?«
    »Na, Kempinski?«
    »Die Küche weiß natürlich Bescheid. Ist auch kein Problem. Unser Fleisch ist ja nicht

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