Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
der Gegend systematisch Angst und Schrecken verbreitet?«
    »Ich will Ihnen nur erklären, was für ein Mensch dieser Herbert Lamkau war.«
    »Ein Nazi?«
    »Nazis gab’s damals noch nicht. Aber brutale Schweine, denen ein Menschenleben nichts gilt, die gab’s auch damals schon.« Rammoser öffnete die Wagentür. »Vielen Dank noch mal fürs Mitnehmen, Herr Kommissar.«
    Und damit klemmte Karl Rammoser seine Ledertasche unter den Arm und stieg aus dem Wagen. Rath schaute ihm eine Weile hinterher, bevor er selber aus dem Auto stieg.
    Kriminalassistent Kowalski saß brav vor seinem Kaffee, als Rath die Gaststube betrat.
    »Morgen, Herr Kommissar!«
    »Morgen, Kowalski.« Rath setzte sich und winkte Hella heran. Ohne dass er etwas sagen musste, kam sie mit der Kaffeekanne und schenkte ihm ein, lächelte sogar, als sich ihre Blicke trafen. Er zündete sich eine Zigarette an. Der Kriminalassistent wirkte ganz zappelig, als habe er irgendwas auf dem Herzen.
    »Was ist denn los, Kowalski?«, fragte Rath. »Ist Ihnen der Kaubuk erschienen? Oder haben Sie ihn gefangen?«
    »Wir haben einen Zeugen, Herr Kommissar!«
    »Einen Zeugen? Für was?«
    »Jemanden, der den Kaubuk kennt.«
    »Persönlich?«
    »Mein Onkel sagt, der alte Adamek hat den Kaubuk letztes Jahr noch gesehen. Adamek ist öfter im Wald unterwegs.«
    »Ein eher schweigsamer Mensch, dieser Adamek, nicht wahr? Spricht der überhaupt Deutsch?«
    Kowalski schaute ihn verständnislos an.
    »Na ja, Sie können ja Masurisch, Kowalski. Wenn wir es brauchen sollten.«
    Der Kriminalassistent zuckte die Achseln.
    Nach dem Kaffee und der Zigarette brachen sie auf, mit dem Auto brauchten sie keine fünf Minuten. Der alte Adamek wohnte in einem kleinen, einstöckigen Häuschen am Ortsrand, mehr eine Hütte als ein Haus. Sie klopften, doch niemand öffnete. Rath stellte fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war.
    Er stieß sie auf und trat in die dunkle Diele.
    »Herr Adamek?«, rief er in das Haus. Niemand antwortete.
    »Herr Adamek? Kriminalpolizei. Wir haben ein paar Fragen an Sie.«
    Doch Wilhelm Adamek war nicht zu Hause. Rath schaute sich um.
    Die Einrichtung war ziemlich spartanisch. Ein Tisch, zwei hölzerne Schemel, ein Kanonenofen. Einziger Wandschmuck war ein gerahmtes Hindenburgfoto, an dem ein Eisernes Kreuz zweiter Klasse befestigt war.
    Rath öffnete eine Tür nach hinten.
    »Sollen wir nicht lieber wieder gehen, Herr Kommissar?«
    Kowalski schien Raths Neugier nicht ganz geheuer.
    »Ich will nur sichergehen, dass Adamek nicht tot in seinem Bett liegt. Oder seinen Rausch ausschläft.«
    Doch das Bett war leer.
    »Herr Kommissar, er ist nicht hier, wir sollten später noch einmal wiederkommen.«
    »Komischer Kauz, dieser Adamek, was? Lebt der alleine hier?«
    »Seine Frau ist schon vor langer Zeit gestorben, sagt mein Onkel. Im Krieg. Damals, als die Russen hier waren. Die haben ganz schön gewütet hier in unserer Gegend.«
    »Sie waren doch noch ein Kind damals. Haben Sie davon etwas mitbekommen?«
    »Was glauben Sie denn? Fast ein Jahr wurde hier gekämpft. Auch bei Markowsken. Nächtelang konnten wir nicht schlafen vor Angst, tagelang das Gedonner des Artilleriefeuers.«
    Rath nickte nachdenklich.
    Er wollte gerade wieder gehen und dem Rat des Kriminalassistenten folgen, da entdeckte er etwas, das seinen Berufsinstinkt und seine Neugier sofort weckte.
    »Einen Moment noch …« Rath ging zum Bett hinüber. Auf einem Schemel neben dem Bett lag ein Berg schmutziger Wäsche.
    »Was machen Sie denn da? Wir wollen Adamek doch nur vernehmen. Sie schnüffeln in seiner Wohnung herum, als wäre er ein Tatverdächtiger.«
    »Wer weiß«, sagte Rath und hielt das Hemd in die Höhe, das ganz oben auf dem Wäscheberg gelegen und seine Aufmerksamkeit erregt hatte, »vielleicht ist er das ja auch.« Er zeigte auf den rotbraunen Fleck, der fast die ganze rechte Seite des Flanellhemdes bedeckte. »Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das hier angetrocknetes Blut. Und zwar eine ganze Menge davon.«
    Der Kriminalassistent, der im Türrahmen stehen geblieben war, wollte etwas sagen. Er hatte den Mund bereits geöffnet, doch dann tauchte ein dunkler Schatten hinter ihm auf, Rath hörte einen dumpfen Schlag, und Kowalski ging wie ein nasser Sack zu Boden.
    Und dann blickte der Kommissar in den Zwillingslauf einer Schrotflinte und in das regungslose, unrasierte Gesicht von Wilhelm Adamek. Nichts war zu hören, nur das leise Klicken beim Spannen des Hahns.
    41
    E s roch nach

Weitere Kostenlose Bücher