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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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leid. Keine Zeit mehr, mit Ihnen zu frühstücken.«
    »Schon vergeben«, sagte Rammoser. »Wenn Sie mich mitnehmen. Ich muss auch nach Treuburg.«
    »Und wie kommen Sie wieder zurück?«
    »Mit der Eisenbahn.«
    Rath schloss den Wagen auf und räumte die Ermittlungsakten vom Beifahrersitz.
    »Nehmen Sie Platz.«
    Rammoser deutete auf die Aktendeckel. »Steht da was drin über den Tod von Martha Radlewski?«
    Rath nickte. »Aber nichts über die tragische Geschichte, die Sie mir erzählt haben, nur die Umstände ihres Todes. Nichts über ihr Leben und wie sie zur Trinkerin wurde.«
    Rammoser setzte sich mit seiner Ledertasche auf den Beifahrersitz. »Eine tragische Ironie, nicht wahr? Kaum ist sie ihren Trunkenbold von Mann losgeworden, fängt sie selbst das Saufen an.«
    »Was für ein Leben die arme Frau hatte …« Rath startete den Wagen. »Da fängt man ja fast zwangsläufig mit dem Trinken an. Wenn Sie überlegen, wie Ihr Mann gestorben ist. Und dass das eigene Kind womöglich ein Mörder ist und auf Nimmerwiedersehen davon. Und wie ein Tier irgendwo in den Wäldern lebt.«
    »Nicht wie ein Tier. Wie ein Indianer.«
    Rath bog auf die Landstraße und gab Gas.
    »Und Sie glauben also«, sagte Rammoser nach einer Weile, »dass Artur Radlewski den Tod seiner Mutter gerächt hat? Weil er denkt, dass sie an gepanschtem Luisenbrand gestorben ist? Obwohl das schon Jahre her ist?«
    »Ich glaube noch gar nichts«, sagte Rath. »Ich würde jedenfalls gerne mal mit ihm reden.«
    »Das dürfte schwierig werden. Ich vermute mal, Artur hat mit keinem Menschen mehr ein Wort gewechselt, seit er in den Wäldern verschwunden ist.«
    »Wenn wir ihn finden, sollte er besser reden.«
    »Ihn zu finden, dürfte noch schwieriger werden.«
    »Wir werden sehen.«
    Als sie in Treuburg auf die Bahnhofstraße bogen, hatte die Feuerwehr sämtliche Leitern im Einsatz und war dabei, schwarz-weiße Girlanden quer über die Straße zu spannen.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Rath.
    »Die schmücken schon für Montag.«
    »Fürs Schützenfest?«
    »Für die Abstimmungsfeier. Das wichtigste Fest des Jahres.«
    »Sie meinen wegen der Volksabstimmung anno zwanzig?«
    »Ganz genau. Sie wissen ja, wie die ausgegangen ist. Vor allem im Kreis Oletzko.«
    »Jawohl, Herr Lehrer. Zwei Stimmen für Polen.«
    »Gut aufgepasst.« Rammoser lächelte, doch es war ein nachdenkliches Lächeln. »Nur zwei von fast dreißigtausend im Kreis. Der junge polnische Staat hat sich nach Kräften bemüht, die Masuren für sich zu gewinnen. Er hat sogar ein Agitationsbüro hier in Marggrabowa eingerichtet. Alles vergebens. Der einzige Effekt war, dass die vom Heimatdienst nun wussten, wo sie des Nachts die Scheiben einschlagen konnten.«
    »Wer?«
    »Heimatdienst Marggrabowa. Hab ich Ihnen doch gestern erzählt. Der trommelte damals für die Zugehörigkeit des Kreises Oletzko zu Preußen.«
    »Ah ja. Die.« Rath kramte in seinen Erinnerungen, konnte aber nichts finden. »Sie scheinen nicht viel von denen zu halten.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich habe für Preußen gestimmt. Was mich – und leider zu wenig andere – aber auch damals schon gestört hat, das war die Art und Weise, wie der Heimatdienst vorging. Er hat Hass gesät, Hass gegen alles Fremde, Hass gegen alles Polnische, Hass und Gewalt.«
    Rath hatte den Salzburger Hof erreicht und fuhr rechts ran, doch der Dorflehrer war noch nicht fertig. »Jahrhundertelang«, sagte Rammoser, »haben die Leute hier in Masuren friedlich zusammengelebt. Doch nach dem Krieg hatte plötzlich der Hass Konjunktur. Nicht zuletzt dank solcher Leute wie Wengler oder Lamkau.«
    »Wie? Gehörten die auch zum Heimatdienst?«
    »Kommen Sie am Montag zum Festakt. Da können Sie Gustav Wengler in seiner Paraderolle erleben, als Vorsitzenden des Heimatdienstes und alljährlich bejubelten Festredner.« Rammoser schaute sich um, als könne jemand sie belauschen. »Und was ich von Lamkau halte, habe ich Ihnen ja gesagt. Der und ein paar seiner Arbeiter von der Brennerei haben für Wengler die Drecksarbeit gemacht.«
    »Die Scheiben im Agitationsbüro eingeworfen.«
    »Schlimmer. Es sind zahlreiche Menschen verletzt worden. Von den Prügeleien habe ich Ihnen ja schon erzählt, die wurden nicht immer mit heißem Blut ausgetragen. Einmal hat sogar eine Scheune gebrannt, drüben in Kleszöwen. Nur durch ein Wunder ist dabei kein Mensch ums Leben gekommen.«
    »Wollen Sie damit sagen, Lamkau hat unter den Polenfreunden hier in

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