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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ausraubte und die Polizei damit schon seit Wochen in Atem hielt. Sie hatten ein paar vage Zeugenaussagen und sonst nichts. Sieben Raubüberfälle nach ein und derselben Masche waren bereits aktenkundig, und mit den Täterbeschreibungen war nicht viel anzufangen, zumal sie zum Teil ganz erheblich voneinander abwichen. Allein dass es sich jedes Mal um zwei bis drei Mädchen handelte und dass sie Messer benutzten, um ihre Opfer zu bedrohen, darin stimmten die Zeugenaussagen überein.
    »Aus dem Wedding?«, fragte Charly, doch eigentlich war es keine Frage, sondern nur ein Echo.
    Die Kollegin schien es nicht zu bemerken. »Alle Überfälle fanden auf der Linie C statt«, sagte sie, »die meisten im Norden, das ist doch auffällig, oder?«
    Charly zuckte die Achseln.
    »Was meinst du denn? Sollen wir der Wieking das vorschlagen?«
    »Was?«
    »Eine Fahndung im Wedding oder so. Da oben nach einer Mädchenbande suchen. Die Wieking will doch bestimmt was von uns hören, oder?«
    Charly konnte sich nicht helfen, aber der Diensteifer ihrer neuen Kollegin ging ihr gehörig auf die Nerven. Einerseits. Andererseits hatte sie Verständnis dafür; sie selbst hätte eigentlich einen ebensolchen Diensteifer an den Tag legen sollen.
    »Entschuldige«, sagte sie, »ich bin noch nicht so weit in die Akte eingestiegen. Vielleicht sollten wir nach der Mittagspause mal unsere Gedanken austauschen.«
    »Oder in der Mittagspause.«
    »Oder das.«
    Charly lächelte ihrer neuen Kollegin zu. Die ehemalige Jugendfürsorgerin schien an einem kollegialen Verhältnis interessiert zu sein, da wollte sie nicht abweisend erscheinen, das konnte einer studierten Juristin schnell als Arroganz ausgelegt werden.
    Sie nahm einen neuen Anlauf und versuchte, sich auf die Akte zu konzentrieren, doch schon auf der ersten Seite stellte sie fest, dass sie die Worte las, ohne den Inhalt wahrzunehmen. Sie versuchte es noch einmal, doch immer wieder sah sie Gereons Augen, ihre Traurigkeit heute Morgen, sah sein Gesicht vor zwei Tagen, das die Enttäuschung zu verbergen versuchte, als sie auf den Ring nicht mit einem freudigen Ja reagiert hatte. Obwohl sie sich so etwas eigentlich hätte denken können, ja, es eigentlich sogar gewusst hatte, dass er ihr irgendwann einen Antrag machen würde, hatte sie sich in diesem Augenblick total überrumpelt gefühlt. Seit dem letzten Sommer wusste sie, dass er einen Verlobungsring besorgt hatte, all die Monate in Paris hätte sie darüber nachdenken können, ob sie sich vorstellen konnte, mit Gereon Rath verheiratet zu sein, und ein paarmal hatte sie es tatsächlich auch getan, ganz am Anfang, dann aber hatte sie sich auf ihre Arbeit konzentriert und auf ihr neues Leben in der neuen Stadt, bis solche Überlegungen komplett aus ihrem Denken verschwunden waren. Und im Zug nach Berlin waren ihr alle möglichen Gedanken durch den Kopf gegangen, besonders solche, die sich mit ihrer Zukunft als Kommissaranwärterin befassten, aber kein einziger, der sich mit dem Thema Heiraten beschäftigte. Hätte der blöde Kerl nicht ein, zwei Tage warten können mit seinem Antrag, anstatt sie so zu überfallen?
    Sie musste grinsen, als ihr auffiel, was sie da tat. Nun hatte sie ihr Ziel erreicht, war endlich bei der Kriminalpolizei, nicht mehr als Stenotypistin wie vor wenigen Jahren noch, sondern als Kommissaranwärterin, und was machte sie an ihrem ersten Arbeitstag? Stundenlang über Gereon Rath nachdenken, anstatt sich um den Fall zu kümmern, den sie ihr gegeben hatten. Sie klappte den Aktendeckel zu.
    »Ich muss mal eben kurz telefonieren«, sagte sie zu Karin.
    Die Kollegin schaute sie an und zuckte die Achseln. »Klar.«
    »Vertraulich. Geht das in Ordnung?«
    Ein breites Grinsen zog das Gesicht der Kollegin auseinander. »Wie heißt er denn?«, fragte sie.
    Charly musste ebenfalls lächeln, auch wenn ihr eigentlich nicht danach war, mit der neuen Kollegin Vertraulichkeiten auszutauschen. Warnend hob sie den Zeigefinger. »Na, na«, sagte sie. »Neugier ist aller Laster Anfang!«
    Die Kollegin stand auf. »Ich wollte sowieso mal ins Raubdezernat rüber und nachfragen, ob dort noch ein paar ähnliche Fälle aktenkundig sind.« Sie zwinkerte kurz. »Vielleicht können wir dann eher irgendein Muster erkennen.«
    Charly lächelte freundlich, obwohl ihr dieses anzüglich vertrauliche Zwinkern auf die Nerven ging. Sie wartete noch einen Moment, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, sie traute Karin van Almsick durchaus zu, an der Tür zu

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