Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
zusammenarbeitete und die eigentlich zur Mordkommission Phantom gehörten. Rath überlegte gerade, wie er die beiden in seine Ermittlungsgruppe zurückholen könnte, da hörte er seinen Namen.
»Da Kommissar Rath zugegen ist«, sagte Gräf, »berichtet er Ihnen am besten selbst von dem Fall, den ich vorhin bereits angerissen habe: der Leichenfund im Haus Vaterland vom frühen Sonnabendmorgen.«
Dem Kriminalsekretär war anzusehen, dass er nicht erfreut darüber war, dass der Kommissar gestern einfach den Bericht mitgenommen hatte. Rath stand auf und ging nach vorne, die noch dünne Ermittlungsakte unterm Arm. Er schaute nicht hinein, das meiste, was er zu berichten hatte, stand dort sowieso noch nicht drin. Er erzählte in wenigen Worten, was sie im Haus Vaterland vorgefunden hatten, bevor er auf die Entdeckung von Doktor Karthaus zu sprechen kam. »Wie es aussieht, haben wir es also möglicherweise mit einem gewaltsamen Tod zu tun, obwohl außer dieser mutmaßlich von einem Dritten vorgenommenen Injektion in die Halsvene keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung zu finden sind. Jedenfalls eine äußerst mysteriöse Angelegenheit, nicht zuletzt wegen der merkwürdigen Begleitumstände des Todes.«
Ernst Gennat, ein Mann von beeindruckender Statur, der er nicht zuletzt seinen Spitznamen Buddha verdankte, hatte bislang geschwiegen, doch jetzt meldete er sich zu Wort.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, weist die Leiche alle Merkmale eines Ertrinkungstodes auf, ist aber womöglich gar nicht ertrunken?«
»Richtig, Herr Kriminalrat. Vorausgesetzt, ich habe Doktor Karthaus richtig verstanden.«
Einige Männer lachten. Die meisten hier im Saal hatten ihre eigenen Erfahrungen mit dem Fachlatein des Gerichtsmediziners gemacht. Lange und Gräf lachten nicht.
»Der schriftliche Befund steht noch aus«, fuhr Rath fort, »von der Blutuntersuchung erhoffen wir uns konkretere Hinweise auf die Todesart. Gleichwohl ist es seltsam genug: ein simulierter Ertrinkungstod, wenn Sie so wollen. In einem Lastenaufzug.«
Gennat nickte nachdenklich. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, doch er sagte nichts mehr, und Rath fuhr mit seinem Bericht fort, erwähnte seine Entdeckung an der Aufzugtür im dritten Stock und seine Vermutung, dass der Täter aller Wahrscheinlichkeit nach im Kreis der Mitarbeiter von Haus Vaterland zu suchen sei. »Jedenfalls gehe ich davon aus, dass die Person noch im Haus war, als die Polizei eintraf. Der Wachdienst passt gut auf, dass niemand Unbefugtes das Gebäude betritt und verlässt. Und laut Aussage des diensthabenden Wachmannes hat nach dem Mord niemand das Haus verlassen. Wir haben eine Liste von rund fünfzig Personen, die sich am Samstagmorgen zur Tatzeit im Haus Vaterland befanden, wir werden alle noch einmal vernehmen und genau durchleuchten. Vielleicht finden wir ein Motiv.«
»Und die tausend Mark«, fragte Böhm, »sind die kein Motiv?«
»Wenn sie eines wären, wären sie nicht mehr da«, erwiderte Rath und hatte wieder ein paar Lacher auf seiner Seite. Er freute sich über Böhms griesgrämiges Gesicht.
»Nicht zwingend«, sagte Gennat. »Der Kollege Böhm hat durchaus recht. So viel Bargeld in einem unbeschrifteten Umschlag, das ist schon ungewöhnlich. Geld kann immer ein Mordmotiv sein, nicht nur im Falle eines Raubmordes.«
»Natürlich, Herr Kriminalrat.« Rath räusperte sich. »Selbstverständlich bin ich dieser Merkwürdigkeit auch schon nachgegangen. Die Witwe kann sich das Geld in der Tasche ihres Mannes nicht erklären. Frau Lamkau kennt sich allerdings auch nicht sehr gut in den Geschäften aus. Wir werden heute die Firmenpapiere durchforsten und sehen, ob sich dort eine Erklärung für den Geldbetrag findet.«
»Wenn dem so ist, hätten Sie sich Ihre blöde Bemerkung auf Kosten des Kollegen Böhm auch sparen können.«
Gennat ließ Rath keine Zeit mehr für eine Erwiderung und beendete die Sitzung. Augenblicklich hörte man Stuhlbeine über den Steinboden schrappen. Obwohl Rath ahnte, dass es zwecklos war, ging er zu Gennat hinüber und unternahm den Versuch, wenigstens Henning und Czerwinski zurückzubekommen, die sie ihm von der Ermittlungsgruppe Phantom abgezogen hatten. Vergeblich.
»Meines Wissens haben Sie in diesem Fall seit Wochen keinerlei Fortschritt erzielt«, sagte der Buddha, »da können Sie die Ermittlungen auch eine Weile ruhen lassen. Sie kümmern sich mit den Kollegen Lange und Gräf vorerst ausschließlich um den Toten im Haus Vaterland . Vielleicht
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