Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
paar Namen auf den Zettel.
Rath warf einen kurzen Blick darauf, die Firmen sagten ihm alle nichts. »Kommen wir zurück zu Ihrem für heute geplanten Gespräch mit Lamkau«, sagte er und steckte den Zettel ein. »Was hätte Sie denn noch umstimmen können?«
Riedel zuckte die Achseln. »Eine Entschuldigung.« Er hielt ein Glas mit goldgelber Flüssigkeit gegen das Licht. »Eine vernünftige Erklärung, wie das ganze Malheur überhaupt passieren konnte. Und natürlich eine glaubwürdige Garantie, dass so etwas nie wieder geschieht. Das hätte mir gereicht.«
»Und vielleicht auch der ein oder andere Geldschein?«
»Wie?«
»Sie haben eine mächtige Position hier im Haus. Im ganzen Betrieb Kempinski. Hat nicht schon mal der ein oder andere Lieferant versucht, Sie zu bestechen?«
»Dafür darf man sich in meiner Position selbstverständlich nicht empfänglich zeigen.«
»Und tausend Mark? Die würden Sie auch nicht empfänglicher machen?«
Riedel lachte laut auf. »Tausend Mark? Mein lieber Mann! Bei den Mengen, mit denen Lamkau uns beliefert, wäre er schön blöd, dafür einen Tausender hinzulegen. Wann soll sich das denn amortisieren?«
Auf dem Weg in die vierte Etage stellte Rath fest, dass beide Lastenaufzüge wieder in Betrieb waren, und schließlich erreichte er das Herz oder besser: den Bauch von Haus Vaterland . Die Zentralküche erinnerte an eine kleine Fabrik, so viele Maschinen und Gerätschaften standen hier: eine ganze Batterie von Gasherden, riesige Kochkessel, groß wie Badewannen, in denen Suppen und Soßen dampften, etliche Kaffeemaschinen, Rührmaschinen, Schneidemaschinen, Mischmaschinen, Kartoffelschälmaschinen und Fleischwölfe. Etwas abseits konnte man ein metallenes Monstrum bei der Arbeit sehen, dem ein Fließband mit Unterstützung einer Spülhilfe in einer nicht enden wollenden Parade Tabletts mit schmutzigem Geschirr zuführte. Alles zischte und kreischte und rasselte und klapperte und klirrte und drehte sich, und zwischen all dieser metallglänzenden Technik wuselten unzählige Menschen in weißen Schürzen hin und her, zerschnibbelten Gemüse, rührten in Töpfen, klopften Fleisch oder stellten Speisetabletts in einen kleinen Paternoster.
Gleich über der Stechuhr am Eingang hingen ein paar Stellenanzeigen. Spüler gesucht, Küchenhilfen gesucht; Bürokraft gesucht (Stenokenntnisse und Großküchenerfahrung erwünscht). Rath hielt einen Jungen an, der einen Geschirrwagen durch die Gegend schob. »Ein Herr Unger«, fragte er, »wo finde ich denn den? Der soll Koch hier sein.«
Der Küchenjunge grinste. »Unger ist der beste Koch«, sagte er und nickte mit dem Kopf zu einem großen Fenster hinüber, bevor er mit seinem Wagen weiterschob. Das Fenster, mehr eine Glaswand, gehörte zu einem kleinen Büro, in dem ein Mann mit Kochmütze an einem Schreibtisch saß, vor Regalen voller Aktenordner, und irgendetwas in eine dicke Kladde eintrug. Auch hier hingen die Stellenausschreibungen am Fenster. Rath klopfte kurz an die Tür und trat ein. Manfred Unger war ein – für seinen Berufsstand jedenfalls – überraschend dünner Mann und schien nicht erfreut über die Störung.
»Was wollen Sie hier?«, giftete er. »Unbefugten ist der Zutritt zum gesamten Küchenbereich verboten.«
Rath schaute sich um. Der Raum erinnerte ihn an das Büro eines Schichtleiters bei Ford, durch das große Sichtfenster konnte man den Betrieb in der Küche genau im Auge halten.
»Manfred Unger?«
»Wer will das wissen?«
Rath zückte seine Marke, und der Koch stand auf. »Ach, deswegen! Aber ich kann jetzt nicht zum Präsidium, unmöglich, das sehen Sie doch!« Er zeigte auf das Gewusel in der Küche. »Hier herrscht gerade Hochbetrieb.«
»Sie sollten ja auch nicht jetzt, Sie sollten sich …«, Rath schaute auf seine Armbanduhr, »… vor ungefähr viereinhalb Stunden am Alex einfinden.«
»Da war hier doch noch mehr los als jetzt. Ich habe keinen Ersatz bekommen, da kann man nichts machen.«
»Ich glaube«, sagte Rath, »Sie haben noch nicht ganz verstanden, was für eine ernste Angelegenheit so eine Vorladung ist.«
»Wieso Vorladung? Habe ich keine bekommen. Ihr Kollege hat mich Sonnabend gebeten, heute Morgen ins Präsidium zu kommen. Und das war mir leider nicht möglich.«
»Ich möchte nicht mit Ihnen streiten, Herr Unger, aber Sie sollten sich jetzt ein Viertelstündchen Zeit für mich nehmen, sonst werde ich vielleicht doch noch böse.«
Unger setzte sich wieder.
»Immerhin«, fuhr Rath
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