Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Vaterland , einer der Einkäufer womöglich. Lamkau drohte seinen wichtigsten Kunden zu verlieren, vor allem aber seine Reputation. Kempinskilieferant, das ist so wie früher Hoflieferant.«
»Aber wo soll dann ein Mordmotiv liegen? Jemand, der bestochen werden soll, muss doch niemanden umbringen.«
»Vielleicht war es auch Erpressung.«
»Aber warum war das Geld dann noch in Lamkaus Kittel?«
Rath zuckte die Achseln. »Da sind noch einige Ungereimtheiten, denen wir nachgehen müssen. Es ist mit Händen zu greifen, dass es hinter den Kulissen von Haus Vaterland irgendwelche unsauberen Geschäfte gegeben hat. Und möglicherweise immer noch gibt. Und dass die eventuell mit Lamkau und dessen Tod zusammenhängen.« Er stellte seinen Kuchenteller zurück auf den Tisch. »Außerdem können wir davon ausgehen, dass Lamkaus Mörder beim Eintreffen der Polizei noch im Hause war, dass es also jemand ist, der auf unserer Namensliste steht. Die Vernehmungen haben uns da nicht weitergebracht, aber …«
Rath, der seinen Nusskuchen gerade bewältigt hatte, musste entsetzt mit ansehen, wie Gennat ihm ein Stück Sachertorte auf den Teller schob.
»Vielen Dank, Herr Kriminalrat«, sagte er. Ein Nein danke brachte er nicht heraus.
»Fahren Sie doch fort.«
»Ähm, ich glaube, da wir es hier mit einem eingrenzbaren Personenkreis zu tun haben, wäre es zum Beispiel sinnvoll, alle infrage kommenden Mitarbeiter daraufhin zu überprüfen, ob sie irgendwann medizinische Fachkenntnisse erworben haben könnten. Vor ihrer Zeit im Haus Vaterland oder meinetwegen in ihrer Freizeit, beim Roten Kreuz oder sonst wo.«
»Sie meinen wegen der tödlichen Injektion?«
Rath nickte. »Laut Doktor Karthaus ist es gar nicht so einfach, die Halsvene zu treffen. Und mit Tubocurarin kennt sich auch nicht jeder aus.« Er nahm das erste Stück Sachertorte auf die Gabel und beschloss, jetzt den neuen Anlauf zu wagen. »Was ich mir in dieser Situation vorstellen könnte, Herr Kriminalrat«, sagte er, »das wäre eine verdeckte Ermittlung. Jemanden ins Haus Vaterland einschleusen, der die verdächtigen Personen am Arbeitsplatz beobachtet.«
Gennat nickte zu Raths Freude. »Gute Idee.«
»Schön, dass Sie das auch so sehen, Herr Kriminalrat.« Rath balancierte den Kuchen immer noch auf der Gabel. »Vielleicht könnten Sie mir für diesen Zweck noch ein, zwei Kollegen zur Verfügung stellen …«
»Das lässt unsere augenblickliche Personalsituation leider nicht zu.«
»Das Problem ist nur«, sagte Rath, »sowohl der Kollege Lange wie auch der Kollege Gräf und ich selbst natürlich auch, wir waren alle schon als Kriminalbeamte im Haus Vaterland unterwegs und würden unweigerlich erkannt werden. Abgesehen davon, dass kaum ein Kollege die nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse mitbringt, die zur Arbeit in einer Großküche vonnöten wären.«
»Der Kollege Roeder früher hat mit falschen Bärten gearbeitet, um nicht erkannt zu werden.«
»Der Kollege Roeder ist auch nicht mehr bei der Polizei.«
Erwin Roeder hatte den Polizeidienst vor wenigen Jahren quittiert, um als Buchautor Karriere zu machen. Die Verkleidungen, in denen der selbst ernannte Oberkriminalist sich mit völlig ernster Miene ablichten ließ, hätte man ihm in Köln nicht mal als Karnevalskostüm abgenommen.
»Sie haben recht«, sagte Gennat, »falsche Bärte wären in diesem Fall auch Blödsinn.«
»Meinen Sie, da ist vielleicht doch noch etwas zu machen? Ein Mann mehr würde mir schon reichen. Und wenn Sie Ihre guten Beziehungen zu den anderen Inspektionen spielen lassen?«
»Ich habe Ihnen schon die Kollegin Ritter gegeben, mehr ist nicht drin.« Gennat klang ungewöhnlich scharf, und Rath zog es vor zu schweigen und sich seinem Kuchen zu widmen.
»Und wenn ich es recht bedenke«, fuhr der Buddha fort, »wäre das doch genau die zusätzliche Kraft, die Sie brauchen. Bislang haben Sie Charly in diesem Fall doch nur am Schreibtisch eingesetzt, oder? Sie war noch nicht im Haus Vaterland im Einsatz.«
Rath war froh, nicht gleich antworten zu müssen, weil er sich immer noch an der Sachertorte abarbeitete. So hatte er sich das eigentlich nicht vorgestellt, aber Gennat schien Gefallen an der Idee zu finden.
»Eine Frau würde am allerwenigsten Verdacht erregen«, sagte der Buddha. »Niemand käme auf die Idee, es mit einer Polizistin zu tun zu haben. Im Übrigen hat Charly schon einmal verdeckt für uns ermittelt, und zwar sehr erfolgreich.«
»Und sehr gefährlich war es auch,
Weitere Kostenlose Bücher