Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
wenn ich mich recht erinnere.«
»So etwas kann immer gefährlich werden. Die Kollegin Ritter weiß sich schon zu helfen. Und außerdem: Sie haben die verdeckte Ermittlung doch selbst vorgeschlagen!«
Ja , dachte Rath, aber nur weil ich mehr Leute haben wollte.
»Schon, aber …«
»Nichts da: Aber! Ihre Idee ist gut, denken Sie sich etwas aus, wie Sie die Ritter im Vaterland einschleusen können! Die Aktion ist hiermit genehmigt.«
Rath fragte sich, was Charly sagen mochte, wenn er ihr den Vorschlag unterbreitete, sich im Haus Vaterland zu bewerben. Aber in Gennats Gesicht sah er, dass ein Zurückrudern nicht mehr möglich war. Der Buddha hatte wieder zum Kuchenteller gegriffen, um ein zweites Stück Stachelbeertorte kunstvoll zu zerlegen. Eine Weile kaute der Kriminalrat genüsslich, und Rath nutzte die Gelegenheit, die Sachertorte weiter zu dezimieren. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, bei Gennat keine vollen Kuchenteller zurückzulassen, angeblich fasste der Dicke so etwas als Beleidigung auf.
»Ich habe noch etwas mit Ihnen zu besprechen«, sagte Gennat schließlich, »etwas, das vorerst unter uns bleiben sollte. Es geht um die Frage, ob wir es in unserem Fall möglicherweise mit einem Serienmörder zu tun haben könnten.«
Das Wort Serienmörder ließ Rath aufschrecken. Schon in Sachen Phantom hatte ihm die ungeduldige Presse im Nacken gesessen, darauf konnte er in seinem neuen Fall gerne verzichten. Serienmörder. Gennat selbst hatte den Begriff geprägt, und meistens bedeutete er Ärger. Schnell holte die Journaille dann die Keule raus, wenn die Ermittlungen stagnierten, sprach von der Unfähigkeit der Polizei und schürte ungeheure Ängste in der Bevölkerung, die nicht selten in Hysterie ausarteten.
Der Buddha zeigte mit der Kuchengabel auf den Tisch, auf dem eine Zeitschrift lag. Rath erkannte das Titelblatt der Kriminalistischen Monatshefte , ein Periodikum, für das auch Gennat ab und an schrieb. Wie seinerzeit über Peter Kürten, den Vampir von Düsseldorf , einen Serienmörder, der der Polizei schließlich eher zufällig ins Netz gegangen war.
»Schon gestern Morgen«, fuhr der Buddha fort, »als Sie uns die seltsamen Todesumstände schilderten, musste ich an einen Artikel denken, den ich vor wenigen Wochen in den Monatsheften gelesen habe und in dem ein ganz ähnlicher Fall geschildert wird.« Er nahm das Heft vom Tisch und setzte seine Lesebrille auf. »Ich habe das noch mal nachgeschlagen, und in der Tat lassen sich erstaunliche Gemeinsamkeiten finden zwischen unserem Fall und …« Gennat schlug die Zeitschrift auf und lugte durch seine Brille. »… dem Fall Wawerka aus Dortmund. Auch in diesem Fall liegt ein Ertrinkungstod in einem geschlossenen Raum vor, für den es keinerlei Erklärung gibt.«
»Lamkau ist nicht ertrunken.«
»Wawerka vielleicht auch nicht. Wer weiß, ob die Dortmunder Gerichtsmedizin so gut arbeitet wie die unsrige. Jedenfalls musste ich daran denken, als Sie gestern Ihren Vortrag hielten.« Gennat schob das Heft über den Tisch. »Lesen Sie das doch mal nach und entscheiden Sie selbst.«
Rath stellte seinen Kuchenteller auf den Sofatisch zurück, in der Hoffnung, dass der Buddha nicht wieder nachlegte, und nahm die Zeitschrift an sich. Vielleicht sollte ich doch regelmäßiger die Fachmagazine lesen , dachte er und schlug das Heft auf, Interesse heuchelnd. »In Dortmund also«, sagte er. »Sind die Kollegen denn einen Schritt weitergekommen als wir?«
»Leider nein.« Gennat schüttelte den Kopf. »Der Fall steht dort schon bei den nassen Fischen. Die Übereinstimmungen sind jedenfalls auffällig. Ich wollte das im Plenum nicht an die große Glocke hängen. Sie wissen – einige Kollegen pflegen ihre Kontakte zur Presse manchmal mehr, als es angebracht ist.« Bei diesen Worten schaute er Rath fest in die Augen. Gennat wusste um die guten Kontakte seines Kommissars zur Hauptstadtpresse. »Und wenn die Journaille das Wort Serienmörder irgendwo aufschnappt, dann ist im Blätterwald der Teufel los. Das muss ich Ihnen ja nicht sagen, das kennen Sie aus eigener Erfahrung.«
»Jawohl, Herr Kriminalrat.«
»Jedenfalls können wir uns so einen Rummel nicht erlauben, zumal wir überhaupt noch nicht wissen, ob wir auf der richtigen Fährte sind. Ich möchte Sie also nur bitten, diskret auch in dieser Richtung zu ermitteln.«
»Aber die Entfernung der beiden Tatorte, spricht das nicht gegen Ihre Theorie? Berlin und Dortmund, das sind doch über fünfhundert
Weitere Kostenlose Bücher