Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Kilometer.«
»Vierhundertneunzig, wenn Sie über die Reichsstraße fahren. Und sechseinhalb Stunden mit dem Zug.« Gennat blieb ungerührt. »Sie haben recht, normalerweise agiert ein Serientäter in einem eher begrenzten Radius. Aber wir haben ja auch erst zwei Todesfälle, die möglicherweise zusammengehören. Vielleicht gibt es mehr. Vielleicht gibt es irgendwelche Zusammenhänge, die wir jetzt noch nicht sehen. Vielleicht räumliche, vielleicht andere.«
»Und wenn es wirklich ein und derselbe Täter ist, kommt er möglicherweise gar nicht aus Berlin, sondern aus Dortmund.«
»Oder sonst woher. Vielleicht ist es ein Handlungsreisender, der da zuschlägt, wo er gerade Station macht.«
»Dann sollten wir recherchieren, ob es weitere ähnliche Fälle in Preußen gegeben hat.«
»Richtig, Herr Kommissar, das denke ich auch.« Gennat hatte sein zweites Stück Stachelbeertorte bewältigt und legte nicht mehr nach, weder sich noch seinem Gast. Das sichere Zeichen dafür, dass die Audienz beendet war. »Genau deshalb habe ich auch die Polizeipräsidien in den Großstädten benachrichtigt, ebenso das Landeskriminalamt und die Landjägerei, damit uns nichts durch die Lappen geht, sollte es auch irgendwo auf dem Lande so einen Fall gegeben haben.«
»Danke, Herr Kriminalrat.« Rath rollte die Zeitschrift zusammen und stand auf. »Eine Frage noch«, sagte er, als er bereits an der Tür stand. »Der Dortmunder Tote – hatte der auch mit der Gastronomiebranche zu tun? Oder lag er in einem Aufzug wie Lamkau?«
Gennat schüttelte den Kopf. »Der Mann war Bergarbeiter auf der Zeche Zollern und wurde in seiner Werkswohnung gefunden. Tot in seinem Bett.«
16
W enigstens musste er es ihr nicht sofort sagen. Als Rath wieder zu seinen Leuten zurückkehrte, war Charly noch immer unterwegs; niemand hatte etwas von ihr gehört, seit sie das Büro vor einer knappen Stunde gemeinsam verlassen hatten. Ihr Besuch bei Dettmann konnte unmöglich so lange dauern. Rath zündete sich eine Zigarette an und dachte darüber nach, ob er ihr eine Standpauke würde halten müssen, eine Standpauke für die Galerie sozusagen, um bei den Kollegen nicht den Eindruck zu erwecken, er bevorzuge sie. Durchgehen lassen konnte er ihr das jedenfalls nicht, dass sie es nicht für nötig befunden hatte, die Ermittlungsgruppe über ihre weiteren Schritte zu unterrichten. Ob sie dem Rauschgiftdezernat auf eigene Faust einen Besuch abgestattet hatte? So etwas hätte sie mal besser ihm überlassen, einen Kommissaranwärter nahmen die Kollegen schon nicht ernst, wie wäre es dann erst bei einer Kommissaranwärterin?
»Wie war’s denn beim Buddha?«, fragte Gräf und riss ihn aus seinen Gedanken.
»Kriminalrat Gennat bedauert, uns nicht mehr Leute geben zu können, möchte aber gleichwohl, dass ein Mitarbeiter der Kriminalpolizei sich inkognito als Küchenhilfe im Haus Vaterland verdingt. Verdeckte Ermittlungen.«
»Na prima!« Gräf wirkte wenig begeistert. »Sollen wir jetzt auch noch Gemüse putzen?«
»Wenn man den Lohn behalten kann, ließe sich darüber reden«, sagte Lange. »Bei unseren Gehältern ist jede Nebeneinkunft willkommen.«
»Von uns dreien kann das sowieso keiner machen, unsere Gesichter sind den Mitarbeitern dort bekannt«, erwiderte Rath.
»Sonst haben wir doch nur Fräulein Ritter«, meinte Lange.
»Und genau die hat Gennat für den Einsatz auch vorgeschlagen.«
»Die arme Charly!« Gräf musste grinsen. »Jetzt arbeitet sie endlich bei der Kripo und landet am Ende doch in der Küche.«
Rath fand das Ganze weniger lustig, schließlich war er derjenige, der Charly die Sache mitzuteilen hätte.
»Wenigstens kennt sie sich aus mit Küchenarbeit«, hörte er Lange sagen, »ein männlicher Kollege käme für so einen Einsatz ja gar nicht infrage. Oder kennst du einen, der kochen kann?«
»Und dann ist da noch was«, sagte Rath. Sein scharfer Ton ließ die beiden albernen Kerle verstummen. »Gennat glaubt, wir könnten es mit einem Serienmörder zu tun haben.«
Das war das Wort, mit dem man im Polizeipräsidium jegliche gute Stimmung abwürgen konnte.
»Wie?« Gräf schaute ungläubig, immer noch einen Rest gute Laune im Gesicht. »Das ist nicht dein Ernst. Wo soll er denn noch zugeschlagen haben, unser Mörder?«
»Weit weg. Irgendwo im Ruhrgebiet.« Rath zeigte auf die Zeitschrift, die er vor sich auf den Schreibtisch gelegt hatte. »Der Buddha hat den Fall in den Monatsheften entdeckt und sieht Parallelen. Ich persönlich bin
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