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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ausdrückte, war Charly immer noch nicht aufgetaucht, doch länger konnte er beim besten Willen nicht warten; Kirie musste dringend vor die Tür, und außerdem brauchte er neue Zigaretten.
    »Na, dann komm«, sagte er und griff zu Hut und Hundeleine.
    Nach einer Runde über den Alex, auf dem gerade die Schienen der neuen Straßenbahntrasse verlegt wurden, spendierte er dem Hund eine Bockwurst, die ein fliegender Händler vor dem Bahnhof verkaufte. Während der Hund die Wurst fraß oder vielmehr verschlang, dachte Rath über Charly nach.
    Es war keine gute Idee, einfach wegzubleiben und sich nicht in die Pause zu verabschieden. Sich in den Mittagspausen abzusondern, das kam nicht gut an in der Burg, keiner wusste das besser als Gereon Rath. Und Charly wusste es eigentlich auch, sie war diejenige, die ihm das irgendwann mal erklärt hatte. Umso mehr wunderte er sich, dass sie nicht wieder aufgetaucht war. Ob er sich langsam Sorgen machen musste? Aber was sollte schon passiert sein? Wahrscheinlich war sie Wilhelm Böhm über den Weg gelaufen, und der hatte seine einstige Lieblingsstenotypistin zum Mittagessen eingeladen.
    Zu seiner großen Überraschung waren alle wieder versammelt, als er eine gute halbe Stunde später ins Büro zurückkehrte. Erika Voss telefonierte, und Charly saß an ihrem Tisch im Vorzimmer, als sei nichts geschehen, und studierte eine Akte. Er begrüßte sie deutlich geschäftsmäßiger und unterkühlter als der Hund, der ihr, kaum war er abgeleint, über die Hände schleckte und es sich gleich wieder unter ihrem Tisch bequem machte.
    Charly wirkte seltsam nachdenklich und abwesend, beinahe abweisend, als sie ihn grüßte. Wenn diese Unterkühltheit nur eine Rolle war, die sie spielte, dann spielte sie die verdammt gut.
    Als Rath seine Ermittlungsgruppe wenig später hinten im Büro zusammentrommelte, wirkte sie immer noch unnahbar und nicht ganz bei der Sache.
    »Wir haben Sie vermisst, Fräulein Ritter«, sagte er streng. »Waren Sie wenigstens erfolgreich?«
    Charly machte ein Gesicht, als finge sie gleich an zu heulen. Sie musste doch wissen, dass das nur Fassade war, nur die Rolle, die er spielen musste, ebenso wie sie.
    »Ich war noch im Rauschgiftdezernat«, sagte sie nur.
    »Dann konnte Kollege Dettmann nicht helfen?«
    Rath hatte das durchaus freundlich gesagt, doch Charly schien ihn gar nicht zu hören. Sie machte eine Bewegung, die man als Kopfschütteln deuten konnte, aber ebenso gut auch als Schüttelfrost, und starrte durch ihn hindurch. Die Liste, die sie auf den Schreibtisch legte, eine Liste mit den Namen polizeibekannter Drogenhändler, von denen zwei überdies im Knast saßen, war nicht sonderlich lang.
    »Der Kollege Gräf wird sich darum kümmern«, sagte Rath und gab die Liste weiter. »Das ist keine Arbeit für eine Frau, das sind zum Teil ganz zweifelhafte Typen.«
    Rath hatte befürchtet, sie könne das als Herabwürdigung auffassen, doch Charly reagierte kaum.
    »Ich habe eine andere Aufgabe für Sie«, sagte er, »Kriminalrat Gennat möchte, dass wir eine verdeckte Ermittlung im Haus Vaterland starten.« Er räusperte sich und hätte Reinhold Gräf das schadenfrohe Grinsen am liebsten aus dem Gesicht gewischt. »Kurz: Ich möchte, dass Sie sich morgen in der Zentralküche bewerben, dort sind gerade ein paar Stellen ausgeschrieben. Vielleicht könnten wir Sie so ohne Hilfe der Direktion dort einschleusen – je weniger Menschen von der Aktion wissen, desto besser …«
    Wider Erwarten hatten sich Charlys Gesichtszüge aufgehellt. Endlich schien sie überhaupt im Raum zu sein.
    »Gute Idee«, meinte sie, »mich wird bestimmt niemand für eine Polizeibeamtin halten.«
    Rath zündete sich eine Zigarette an und schlug die Ausgabe der Monatshefte auf, bis er das Gesicht von Hans Wawerka gefunden hatte. Er zeigte es in die Runde und wiederholte für Charly kurz Gennats These.
    »Gibt’s bei Serienmördern nicht meist einen sexuellen Hintergrund?«, fragte sie. »Den sehe ich hier nicht.«
    Rath bemerkte mit einer gewissen Erleichterung, dass sie wieder bei der Sache war. Er drückte seine Zigarette aus.
    »Richtig, Fräulein Ritter«, sagte er. »Dennoch sollten wir die Augen auch in dieser Richtung offen halten. Es hat schon häufiger Serienmorde gegeben, die nicht sexuell motiviert waren. Ich darf nur an den Kinomörder erinnern. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen Wawerka und Lamkau, den wir noch nicht sehen.«
    Charly nickte.
    »Gleichwohl«, fuhr Rath fort,

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