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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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das ihr Leben lang machen zu müssen – vielen Dank!
    Nun stand sie draußen an der frischen Luft, auf der Galerie der vierten Etage, und rauchte eine Zigarette, die nach Zwiebeln schmeckte. In der Küche galt striktes Rauchverbot, und sie hatte ihrer ersten Zigarettenpause umso mehr entgegengefiebert, je länger sie darauf hatte warten müssen. Sie war die Einzige, die hier stand und rauchte, einen Moment hatte sie überlegt, in den Aufenthaltsraum zu gehen, doch sie hatte dringend an die frische Luft gemusst.
    Eine gemeinsame Mittagspause oder so etwas, bei der man die anderen Kollegen hätte kennenlernen können, gab es hier sowieso nicht, natürlich nicht. Mittags herrschte Hochbetrieb, da ging eine Unmenge an Essen raus. Und bei den meisten Essen, die im Haus Vaterland serviert wurden, so Charlys Eindruck, gehörten offensichtlich Zwiebeln zum Rezept.
    Sie stand auf der südöstlichen Gebäudeseite, zog an ihrer Zigarette und schaute über das Häusermeer, in dessen Mitte die große Halle des Anhalter Bahnhofs lag wie ein kieloben treibendes Schiff. Das Europahaus schien zum Greifen nah, dort hatte sie ihr erstes Rendezvous mit Gereon gehabt. Eine Ewigkeit war das jetzt her, mehr als drei Jahre. Er hatte sie damals mehr verletzt als jemals sonst ein Mann, sie hatte ihn zur Hölle gewünscht, und trotzdem waren sie ein Jahr später wieder zusammengekommen. Und nun waren sie sogar verlobt. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob Gereon Rath wirklich einen guten Ehemann abgegeben würde. Aber sie war sich sicher, dass sie keinen anderen wollte.
    Ein Polizistenehepaar, ob das wirklich funktionierte? So viele hatten das wohl noch nicht ausprobiert. Vielleicht waren sie sogar die Ersten.
    Noch bist du keine Polizistin, Charlotte Ritter, noch bist du eine einfache Kommissaranwärterin und hast dich hinten anzustellen. Hast deine Aufgabe hier zu erledigen!
    Sie schaute auf die Uhr. Gut zehn Minuten blieben ihr noch von der Pause, und sie hatte immer noch keine Ahnung, wo sie ansetzen sollte bei ihren Ermittlungen. Noch jedenfalls hatte sie nichts beobachten können. Außer, dass Chefkoch Unger immer alles im Blick hatte und mehr in seinem Kabuff saß und guckte und telefonierte, als in der Küche zu stehen.
    Eine Tür öffnete sich, und ein Mann trat auf die Galerie. Seine Haut war so dunkel wie die Nacht, er trug ein kariertes Flanellhemd und ein rotes Halstuch, Hosen mit Fransen an den Seiten und einem Waffengurt und auf dem Kopf einen Stetson, der mindestens so groß war wie der von Tom Mix. In seinem Mund steckte eine Zigarette, die er jetzt ansteckte.
    Ein Neger im Cowboykostüm. Charly meinte, den Mann schon einmal in einem Programmheft von Haus Vaterland gesehen zu haben. Schon damals hatte sie sich gefragt, ob es in Amerika wirklich schwarze Cowboys geben mochte. Im Kino hatte sie jedenfalls noch keine gesehen.
    Erst jetzt, wo seine Zigarette zu brennen begonnen hatte, schaute der Mann auf. Er schien überrascht zu sein, sie hier zu sehen, überhaupt jemanden hier draußen zu sehen. Er stutzte einen kleinen Moment, dann kam er zu ihr hinüber, grüßte mit einem Tipp an die Hutkrempe, genauso lässig wie ein echter Cowboy.
    »Was dagegen, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste?«, fragte er. Sein Deutsch hatte einen leichten Akzent, den Charly nicht einzuordnen vermochte.
    Sie machte eine einladende Handbewegung, und der Mann stellte sich neben sie an die Brüstung.
    »Ich habe Sie hier noch nie gesehen«, sagte er.
    »Ist mein erster Tag heute.«
    »Was arbeiten Sie?«
    Sie verzog ihren Mund zu einem schiefen Lächeln. »Eigentlich«, sagte sie, »dachte ich, ich wäre Stenotypistin. Aber bislang bin ich nur zum Zwiebelschneiden gekommen.« Sie zog an ihrer Zigarette. »Sind Sie Amerikaner?«
    »Nein, Deutscher.« Der schwarze Cowboy grinste und zeigte seine weißen Zähne. »Aus Daressalam, Deutsch-Ostafrika. Habe sogar im Krieg für Kaiser und Vaterland gekämpft.«
    »Ein Askari?«
    Der Mann nickte. »Husen, mein Name«, sagte er und streckte seine Hand aus. »Bayume Mohamed Husen.«
    »Charlotte Ritter.« Husen hatte einen angenehm festen Händedruck. »Und wie kommt es«, fragte sie, »dass ein Askari in Berlin den Cowboy spielt?«
    »Die Geschichte ist zu lang für eine Zigarettenpause. Die kurze Version geht so: Ich bin in Berlin, weil mir das Vaterland noch Geld schuldet.«
    »Das Haus Vaterland ?«
    Husen lachte. »Nein, das andere Vaterland. Das große.« Er beschrieb mit den Armen einen Bogen, als

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