Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
wahrscheinlich würde in dem ein oder anderen Artikel auch der Name Gereon Rath auftauchen, als der Name des Mannes, der das Phantom seit Monaten vergeblich jagte.
Im Saal war es still geworden. Alle wussten, dass die Arbeit in den nächsten Tagen unter dem Druck der öffentlichen Meinung nicht einfacher werden würde, ganz gleich an welchem Fall man gerade arbeitete.
Rath wunderte sich noch, warum man ihn gestern Nacht nicht angerufen hatte, schließlich war das Phantom sein Fall, da fuhr der Buddha auch schon fort und lieferte die Antwort.
»Der Fall Bellevue ist bis auf den Abschlussbericht abgeschlossen, sodass die Kollegen Henning und Czerwinski als erfahrene Kräfte wieder zur zwischenzeitlich aufgelösten Ermittlungsgruppe Phantom stoßen werden – allerdings unter neuer Leitung.«
Die meisten Beamten im Saal wussten, dass Rath den Fall geleitet hatte, und drehten sich zu ihm um. Er machte gute Miene zum bösen Spiel, tat so, als sei das für ihn nichts Neues.
»Ich habe mich entschlossen«, erklärte Gennat, »den Fall in neue Hände zu geben. Jetzt, da Kommissar Rath im Fall Vaterland so erfreuliche Fortschritte erzielt, möchte ich seine aktuelle Ermittlungsgruppe nicht auseinanderreißen.«
Der Kriminalrat schaute Rath freundlich an, doch der Kommissar fühlte sich in diesem Moment vor aller Augen wegen Erfolglosigkeit an den Pranger gestellt. Er schaute zu Boden, tat gelangweilt und fragte sich, wer denn die Leitung seines alten Falls übernehmen sollte. Wahrscheinlich Böhm, so lief es doch meistens.
»Wir hatten das Glück«, hörte er Gennat weiterreden, »dass ein erfahrener Kollege sich gestern durch eine glückliche Fügung in Tatortnähe aufhielt, so konnten wir diesmal so früh wie in keinem anderen der bisherigen Fälle Fahndungsmaßnahmen in direkter Umgebung des Tatorts einleiten. Zwei verdächtige Personen wurden vorläufig festgenommen und warten auf ihre Vernehmungen. Also möchte ich den Fall dem Mann übertragen, der uns durch sein beherztes Handeln möglicherweise endlich einmal einen Vorteil verschafft hat im Kampf gegen diesen skrupellosen Mörder. Kommen Sie doch bitte nach vorne, Kommissar Dettmann, und schildern uns die Einzelheiten der gestrigen Ereignisse.«
Rath glaubte, sich verhört zu haben, doch tatsächlich stand ein paar Plätze weiter Harald Dettmann von seinem Stuhl auf und schlenderte nach vorn, eine kleine Mappe unterm Arm.
Rath musste sich größte Mühe geben, ruhig sitzen zu bleiben. Je länger er hörte, was Dettmann da vorne erzählte mit stolzgeschwellter Brust, wie er seine Heldentaten ausschmückte und gleichzeitig den Bescheidenen mimte, desto größer wurde sein Ärger.
Bei dem jüngsten Opfer des Phantoms handelte es sich um einen Drogenhändler, »der mir, aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit im Rauschgiftdezernat, nicht unbekannt ist«, wie Dettmann betonte, um gleich eine kurze Charakterisierung des Opfers zu geben. Hörte sich in seinen Worten an, als müsse die Welt nicht besonders traurig sein über den Verlust dieses gewissenlosen Zeitgenossen. Der Mann war mit seiner Freundin aus der Spätvorstellung des direkt am Bahnhof Gesundbrunnen gelegenen Filmpalastes gekommen. Ein einziger Schuss hatte ihn niedergestreckt. Sein Mädchen war unbehelligt geblieben, während die Energie des Schusses den Mann an ihrer Seite zu Boden gerissen und ihm den Brustkorb zerfetzt hatte.
Nach Dettmanns Ausführungen beendete Gennat die Sitzung wirklich, und Rath verließ den Saal als einer der Ersten. Er zog es vor, sich mit seiner Wut in die Einsamkeit seines Büros zurückzuziehen.
Vielleicht war es ja sogar besser, versuchte er sich einzureden, dass er den vermaledeiten Phantomfall losgeworden war. Aber die Art und Weise, wie dies geschehen war, und dass ausgerechnet Dettmann jetzt womöglich die Früchte ernten sollte, die Rath mit seiner Truppe gesät hatte, das war einfach unerträglich.
»Ich will nicht gestört werden«, raunzte er seine Sekretärin an, als er das Vorzimmer durchquerte und nicht einmal bei Kirie haltmachte, bevor er im Büro verschwand und die Tür zuknallte.
Kaum hatte er sich hingesetzt, steckte Erika Voss ihren blonden Kopf durch die Tür.
»Habe ich mich unmissverständlich ausgedrückt?«, fragte er.
Die Voss ließ sich nicht einschüchtern. »Arbeiten Sie Ihre schlechte Laune lieber an dieser Akte ab«, sagte sie. »Eben aus Dortmund gekommen. Die Kollegen haben eigens einen Wagen geschickt. Mit den besten Grüßen von
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