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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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schüttelte den Kopf. »Vattern haben wir vor zwei Jahren beerdigt.«
    »Oh, das tut mir leid«, sagte Rath, aber der Wirt war schon wieder verschwunden, um bei den Skatspielern die nächste Bestellung aufzunehmen.
    Rath trank einen Schluck Bier aus dem frischen Glas, dann stand er auf und ging mit den beiden Fotos zum Nachbartisch hinüber, zu dem alten Mann, der allein vor seinem Kornglas saß und ab und zu an einer dicken Zigarre zog, die einfach nicht kürzer zu werden schien. Der Mann wirkte nicht gerade so, als habe er darauf gewartet, dass sich jemand zu ihm setzt, geschweige denn, dass ihn jemand anspricht. Rath zeigte ihm dennoch die Fotos.
    »Guten Abend. Ich suche jemanden, der mir etwas zu diesen Männern erzählen kann.«
    Der alte Mann schaute Rath nur an aus seinem faltigen Gesicht und paffte an seinem Stumpen.
    »Herbert Lamkau, sagt Ihnen der Name was?«, fragte Rath und zeigte auf das Foto. »Oder der hier. Johann Wawerka.«
    Der Alte schwieg.
    »Die Männer haben mal hier gelebt, vor acht Jahren. Sie müssten alt genug sein, um sie noch zu kennen. Oder August Simoneit? Von dem habe ich leider kein Foto.«
    Der Alte murmelte etwas Unverständliches in seinen Bart, ohne den Stumpen aus dem Mund zu nehmen.
    »Wie bitte?«, fragte Rath.
    Der Mann nahm die Zigarre aus dem Mund und wiederholte seinen Satz. Er sprach nun laut und deutlich, doch Rath verstand immer noch kein einziges Wort, denn es war definitiv kein Deutsch, was er da hörte.
    »Entschuldigung«, sagte Rath, nahm seine Fotos und stand auf, »ich wusste nicht, dass Sie Pole sind. Ich dachte, Sie seien einer von hier.«
    Der Alte starrte ihn an. Rath kam es vor, als seien die Gespräche an den umliegenden Tischen verstummt oder zumindest leiser geworden. Und bevor er noch nachdenken konnte über diese kaum spürbare atmosphärische Änderung im Raum, fuhr der Alte so heftig von seinem Stuhl hoch, dass das Schnapsglas umkippte. Rath blickte in zornfunkelnde Augen.
    »Ne jem Polak«, sagte der Alte in ehrlicher Empörung, »jestem Prußakiem!«
    Rath hob beschwichtigend die Hände. »Schon gut, schon gut«, sagte er. »Ich weiß nicht, was Sie verstanden haben, aber ich wollte Ihnen bestimmt nicht zu nahe treten. Ich habe nichts gegen Polen.«
    Aber der Alte schien sich nicht beruhigen zu wollen. Obwohl er schon bedenklich nahe war, machte er einen weiteren Schritt auf Rath zu und ließ einen babylonischen Redeschwall folgen, zu dem er ab und an mit der Faust auf den Tisch schlug. Rath wich einen Schritt zurück. Er hätte nicht gedacht, dass die Leute hier, ganz gleich ob Polen oder Deutsche, so viel an einem Stück reden konnten.
    Einen Teil der Gäste schien die Szene zu amüsieren, andere waren aufgestanden, und Rath hatte nicht den Eindruck, dass sie auf seiner Seite stünden, sollte es ernst werden. Ob sie den Wortwechsel wirklich mitbekommen hatten, bezweifelte er; es sah eher so aus, als lauerten sie einfach auf eine Schlägerei und freuten sich über die Gelegenheit, einen Großstadtfritzen mal spüren zu lassen, was sie von ihm hielten.
    Er hätte Kowalski doch mitnehmen sollen! In jeder verdammten Kaschemme in Berlin hätte er so eine Situation klären können, aber hier, ohne ortskundigen Beistand, fühlte er sich seltsam hilflos. Er überlegte noch, ob es die drohende Schlägerei eher verhinderte oder beförderte, sollte er nun seine Dienstmarke zücken und sich als Polizist zu erkennen geben, da stand am Nebentisch jemand auf, der Mittdreißiger im Leinenanzug mit der dünnen Drahtbrille. Der Brillenmann legte seine Serviette neben den Bratkartoffelteller und sagte etwas zu dem Alten und den Männern neben ihm, und Rath hätte schwören können, dass auch er Polnisch sprach, doch nach der Erfahrung mit dem Alten hielt er sich lieber raus und kommentierte das nicht. Er stand einfach da, die Fäuste innerlich hochgenommen, und wartete ab, was passierte.
    Der Brillenmann schien die richtigen Worte gefunden zu haben, auch wenn Rath kein einziges verstanden hatte. Am Ende lachten die Männer herzlich und schlugen dem Alten auf die Schulter. Der setzte sich wieder zu seinem Kornglas, das der Wirt inzwischen aufgefüllt hatte, und auch die Männer, denen eben noch der Wunsch nach einer Schlägerei ins Gesicht geschrieben stand, kehrten friedlich zu ihren Plätzen zurück. Einer sagte etwas zu seinem Nachbarn, bevor er sich setzte, und zeigte auf Rath, und wieder grölten die Männer los.
    Rath fühlte sich noch immer nicht sonderlich

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