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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Blick ins Büro zu werfen.
    Ob er etwas ahnte? Charly konnte es eigentlich nicht glauben. Dennoch traute sie sich nicht, den Reklamationsordner noch einmal oben aus dem Regal zu holen. Fürs Erste hatte sie genug gesehen, auch wenn sie kein Schreiben an Lamkau hatte entdecken können. Aber Gereon schien recht zu haben mit seiner Vermutung. Die Reklamationsschreiben waren in einem ungewöhnlichen Ton abgefasst, und es war nicht die Schärfe des Tonfalls, die Charly daran störte, es waren die seltsamen Zweideutigkeiten. Auch wenn sie nur zwei, drei Schreiben in dem Ordner hatte lesen können, war ihr das sofort aufgefallen: Das klang nicht nach Beschwerdebriefen, das klang nach Erpresserschreiben.
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    D ie Gaststube war ziemlich verräuchert, obwohl es noch früh am Abend war. Zwei Männer standen an der Theke und unterhielten sich halblaut, drei andere saßen an einem Tisch und spielten Skat, lautstark immer nur dann, wenn sie die Spielkarten auf die Tischplatte donnerten. Etwas abseits am Fenster kauerte ein einsamer Alter in Manchesterhosen und Wollpullover vor seinem Schnapsglas. Und dann war da noch ein drahtiger, bebrillter Mittdreißiger in einem groben Leinenanzug mit Ellbogenflicken, der ebenfalls allein am Tisch und beim Abendbrot saß. Den letzten freien Tisch hatte Rath besetzt. Er saß vor einem Bier und hoffte, dass Polizeimeister Grigat diese Spelunke mied und auch sonst niemand hier auf die Idee käme, ihn zu einem Pillkaller einzuladen oder zu einer ähnlichen Sauerei.
    Die Gefahr schien allerdings eher klein, so auffällig hatten sämtliche Gäste den Fremden in ihrer Mitte bislang ignoriert. Einzig der Leinenanzugmann hatte von seinen Bratkartoffeln aufgeschaut, als Rath die Gaststube betrat, und ihn offen angeguckt durch seine dünne Drahtbrille. Alle anderen Männer wagten höchstens ab und zu mal einen verstohlenen Blick, seit Rath an seinem Tisch saß. Eigentlich hatte er vorgehabt, an die Theke zu gehen und dort locker ein Gespräch anzufangen mit dem Wirt und den Einheimischen, aber bei dem Misstrauen, das ihm hier von Anfang an entgegengeschlagen war, hatte er dann doch einen Tisch am Fenster vorgezogen.
    Zwar hatte Kriminalassistent Kowalski, den Rath vor gut einer Stunde aus seiner Gruft im Kreisarchiv geholt hatte, angeboten, »den Herrn Kommissar zu begleiten«, aber Rath hatte dankend abgelehnt und den Mann aus Markowsken auf eine eigene Kneipentour geschickt, auf dass er sich unter seinen Landsleuten ein wenig umhöre und den Herrn Kommissar in Ruhe ließ.
    Das durchgehende Schweigen, auf das Rath gestoßen war, seit er in Treuburg angefangen hatte, Fragen nach dem Dreigestirn Lamkau, Simoneit und Wawerka zu stellen, machte ihn misstrauisch. Das war nicht nur mentalitätsbedingte Schweigsamkeit, eher hatte er das Gefühl, dass hier alle unter einer Decke steckten. Die Mappe von Polizeimeister Grigat jedenfalls war mehr als dürftig ausgefallen, und Kowalski hatte sich den ganzen Nachmittag angeblich ergebnislos durch die Archive gewühlt. Rath wusste nicht, ob er ihm trauen sollte.
    Dann würde er diesen Sturköpfen hier eben so lange auf den Wecker gehen, bis einer etwas mehr für ihn übrig hatte als das obligatorische Achselzucken. Und dass er den Leuten in dieser Kneipe schon jetzt gehörig auf den Wecker ging, ohne eine einzige Frage gestellt zu haben, das stand fest.
    Rath zündete sich eine Zigarette an und hob sein mittlerweile leeres Bierglas. Wenigstens der Wirt behandelte ihn nicht wie Luft, der Mann nickte und begann mit dem Zapfen. Das war eine Art von Wortkargheit, mit der Rath umgehen konnte. Sein Abendessen hatte er vorsorglich, um Polizeimeister Grigat nicht zu begegnen, in einem netten Restaurant am Seeufer eingenommen und nicht im Salzburger Hof . Kowalski hatte ihm die Kneipe hier genannt, »bei Pritzkus treffen sich die einfachen Leute«, hatte der Kriminalassistent gesagt. Und so war es wohl auch. Die einfachen Leute. Die, die keine Fremden mochten.
    Als der Wirt das frische Bier brachte, legte Rath die Fotos von Lamkau und Wawerka auf den Tisch.
    »Kennen Sie einen dieser Herren?«, fragte er. »Herbert Lamkau, Hans Wawerka. Oder sagt Ihnen der Name August Simoneit etwas?«
    Der Wirt blieb stehen. »Kann tatsächlich sein, dass die bei uns mal ihr Bier getrunken haben. Muss aber schon länger her sein.«
    »Acht Jahre.«
    »Da hat mein Vater den Laden hier noch geschmissen.«
    Rath schöpfte Hoffnung. »Ist Ihr Herr Vater zu sprechen?«, fragte er.
    Der Wirt

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