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Die Akte Veden

Die Akte Veden

Titel: Die Akte Veden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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ist eher ein geistiger Zustand. Ein intuitives Geschick, in gewisse Lehren und Praktiken fast unbeschwert Zugang zu finden. Mit der Imagination kann man nicht... Ich meine, es geht nicht...« Er verstummte erneut, schloss den Mund und senkte den Kopf.
    Tim warf seinem Cousin einen Blick zu. Der erwiderte ihn und hielt Tim seine Zigarettenschachtel hin, zündete sich anschließend selbst eine an. Den Rauch ausatmend sagte Loki: »Sir Veden, Sie möchten uns doch jetzt bestimmt alles erzählen. Lassen Sie uns die Sache abkürzen und weihen Sie uns ein.«
    Der Direktor hob den Blick, rieb sich mit dem Handrücken und damit mit den Lederriemen über die Stirn und sah dabei Loki an. »Sie müssen mich sofort festnehmen.«
    Tim war so überrascht, dass er vergaß, auszuatmen. Hustend wedelte er den Rauch vor seinem Gesicht weg. Ihm traten Tränen in die Augen.
    »Alles in Ordnung, mein Lieber?«, fragte Loki und streckte eine Hand aus, um seinem Cousin auf den Rücken zu klopfen.
    Tim winkte ab. »Schon gut. Hab mich nur verschluckt.« Er beugte sich vor und trank vom Kaffee, um den Hals zu beruhigen. Anschließend drückte er die noch nicht einmal halb gerauchte Zigarette aus.
    »Alles der Reihe nach«, sagte Loki zu Veden. »Ich bitte Sie, uns alles zu erzählen. Seien Sie so nett und beginnen Sie mit dem Unfall.« Er lehnte sich im Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander, sein Blick richtete sich zum Fenster hinaus. Auf diese Weise bereitete sich Loki auf eine besinnliche Zeit vor, zum Beispiel wenn er sich seiner Musik widmete.
    Tim verstand die Welt nicht mehr, aber er sagte nichts, trank seinen Kaffee und beobachtete weiterhin den Direktor.
    Der schien genauso verwirrt. Noch immer stand dieser Schwermut in seinem Gesicht, er schien endgültig gebrochen zu sein. Er beugte sich vor, drückte auf dem Telefon auf eine Taste und sagte: »Frau Benz, sagen Sie alle Termine für heute ab. Ich fühle mich nicht gut. Und bitte keine Störungen, wimmeln Sie alle ab, egal ob Anrufer oder Besucher. Danke.« Danach nahm er den Hörer von der Gabel, lehnte sich wieder zurück und senkte den Blick auf seinen Schoß. Mehrere Male machte er den Mund auf, schloss ihn aber immer wieder.
    »Sie waren nach dem Unfall lange im Krankenhaus«, half ihm Loki. »So weit ich weiß, vier Wochen lang.«
    »Ja«, hauchte Veden, den Blick weiterhin gesenkt. »Es fällt mir sehr schwer, darüber zu sprechen. Es war eine sehr schlimme Zeit.« Er verstummte wieder.
    Loki sah genervt aus. »Kommen Sie schon, das ist jetzt Ewigkeiten her! Stellen Sie sich nicht so an!«
    Der Direktor hob den Blick. »So kann nur jemand sprechen, der keine Ahnung hat. Wissen Sie, wie es ist, wenn man alle Menschen verliert, die man hat? Ich hatte nie Eltern, denn die haben sich einen Scheiß um mich gekümmert. Geld hatte ich, ja, aber keine Eltern. Mein Vater war Geschäftsmann, ständig auf Reisen, ich bekam ihn kaum zu Gesicht, und meine Mutter war eine degenerierte, abgestumpfte Frau, die im Gebären von Kindern nur ihre Pflicht als Ehefrau sah. Sie brachte mich auf die Welt, und das war’s für sie. Hora und Margit waren für mich alles . Ich war ein widerspenstiges Kind, voller Hass. Ich gab das weiter, was mir vorgelebt wurde – Vater schlug mir Zähne aus, und ich ging hinaus und verprügelte meine Klassenkameraden. Hora hat mich verändert. Hora und Margit haben mir gezeigt, dass es auch anders geht, dass man miteinander auch anders umgehen kann. Seit sie tot sind, bin ich nicht mehr der selbe. Ich habe weder Frau noch Freunde, das sollte alles sagen. Ich habe nur diesen Beruf als Direktor. Das ist alles, was mir geblieben ist. Also erzählen Sie mir nicht, ich solle mich zusammenreißen!« Ihm rann eine Träne über die Wange, er wischte sie mit dem Handrücken weg.
    Tim sah das Fuchs-Lächeln auf den Lippen seines Cousins, als der erwiderte: »Sehr tragisch. Vielleicht hätten Sie sich einfach nur neue Freunde suchen müssen, statt in Selbstmitleid zu baden.«
    Vedens Gesicht verhärtete sich. »Sie wollten, dass ich Sie einweihe. Sie wissen also ganz genau, was danach geschah, was ich durchstehen musste. Aber es ist nichts Neues, dass die Menschen das nicht verstehen. Sie sind nicht der Einzige, der sich darüber lustig macht.«
    »Erzählen Sie mir davon. Vielleicht steigert das mein Verständnis. Ich schenke Ihnen gerne die nötige Aufmerksamkeit.«
    Tim trank von seinem Kaffee und stellte die Tasse auf dem Tisch ab. Er hätte gerne eingeworfen,

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