Die Akte
wichtig.«
Er musterte sie eingehend. »Warten Sie einen Moment.« Er schloss die Tür und verschwand.
Das Haus hatte eine schmale, überdachte hölzerne Veranda. Sie standen im Schatten und konnten von der Straße aus nicht gesehen werden. Ein Wagen fuhr langsam vorüber.
Er machte die Tür wieder auf. »Ich bin Tom Kupcheck, ihr Vater, und sie möchte mit niemandem reden.«
Gray nickte, als hätte er dafür volles Verständnis. »Es würde keine fünf Minuten dauern, das verspreche ich.«
Er kam auf die Veranda und machte die Tür hinter sich zu. »Sie scheinen schwerhörig zu sein. Ich sagte, sie möchte mit niemandem reden.«
»Ich habe gehört, was Sie sagten, Mr. Kupcheck. Ich weiß, was sie durchgemacht hat, und ich respektiere ihr Privatleben.«
»Seit wann respektiert ihr Reporter irgend jemandes Privatleben?«
Offensichtlich hatte Mr. Kupcheck eine sehr kurze Leitung. Und sie war nahe daran durchzubrennen.
Gray blieb ruhig. Darby wich zurück. Für einen Tag hatte sie genug Wortwechsel gehabt.
»Ihr Mann hat mich vor seinem Tod dreimal angerufen. Ich habe am Telefon mit ihm gesprochen, und ich glaube nicht, dass sein Tod ein Zufall war und dass er von einem Straßenräuber umgebracht wurde.«
»Er ist tot. Meine Tochter ist mit ihren Nerven am Ende. Sie will mit niemandem reden. Und nun verschwinden Sie.«
»Mr. Kupcheck«, sagte Darby eindringlich, »wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihr Schwiegersohn Zeuge einer organisierten kriminellen Aktivität war.«
Das machte ihn etwas ruhiger, und er musterte Darby. »Ach, wirklich? Aber ihm können Sie keine Fragen mehr stellen. Und meine Tochter weiß von nichts. Sie hatte einen schlechten Tag und hat Medikamente bekommen. Also gehen Sie bitte.«
»Können wir sie morgen sprechen?« fragte Darby. »Das bezweifle ich. Rufen Sie vorher an.«
Gray reichte ihm eine Visitenkarte. »Wenn Sie reden möchte, soll sie mich unter der Nummer auf der Rückseite anrufen. Ich wohne zur Zeit in einem Hotel. Ich rufe morgen gegen Mittag wieder an.«
»Tun Sie das. Aber jetzt verschwinden Sie. Sie haben sie schon jetzt aufgeregt.«
»Das tut mir leid«, sagte Gray, während er die Veranda verließ. Mr. Kupcheck öffnete die Tür, beobachtete aber ihr Fortgehen. Gray drehte sich zu ihm um. »War irgendein anderer Reporter bei Ihnen, oder hat jemand angerufen?«
»Einen Tag, nachdem er umgebracht wurde, hat ein ganzer Haufen angerufen. Sie wollten alles mögliche wissen. Unverschämte Bande.«
»Aber keiner in den letzten paar Tagen?«
»Nein. Und jetzt verschwinden Sie endlich.«
»Jemand von der New York Times?«
»Nein.« Er trat ins Haus und knallte die Tür zu.
Sie eilten zu dem vier Häuser weiter geparkten Wagen. Auf der Straße herrschte keinerlei Verkehr. Gray fuhr kreuz und quer durch die kurzen Vorortstraßen und bahnte sich im Zickzack seinen Weg aus dem Viertel heraus. Er schaute unablässig in den Rückspiegel, bis er ganz sicher war, dass sie nicht verfolgt wurden.
»Ende der Spur Garcia«, sagte Darby, als sie auf die 395 einbogen und auf die Innenstadt zufuhren.
»Noch nicht. Wir unternehmen morgen noch einen letzten verzweifelten Versuch, und vielleicht können wir dann mit ihr reden.«
»Wenn sie etwas wüsste, hätte sie es ihrem Vater gesagt. Und wenn ihr Vater Bescheid wüsste, wäre er nicht so unkooperativ gewesen. Da ist nichts zu holen, Gray.«
Das leuchtete ein. Sie fuhren ein paar Minuten schweigend weiter. Die Erschöpfung setzte ein.
»Wir können in einer Viertelstunde am Flughafen sein«, sagte er. »Ich setze Sie dort ab, und in einer halben Stunde können Sie abfliegen. Nehmen Sie die nächste Maschine, ganz gleich wohin. Hauptsache, Sie verschwinden.«
»Ich fliege morgen ab. Ich brauche ein bisschen Ruhe, und ich möchte darüber nachdenken, wo ich hin will. Danke.«
»Fühlen Sie sich sicher?«
»Im Augenblick, ja. Aber das kann sich von einer Sekunde auf die andere ändern.«
»Ich könnte heute nacht in Ihrem Zimmer schlafen. Genau wie in New York.«
»In New York haben Sie nicht in meinem Zimmer geschlafen, sondern auf einer Couch im Wohnzimmer.« Sie lächelte, und das war ein gutes Zeichen.
Er lächelte ebenfalls. »Okay. Dann schlafe ich heute nacht eben im Wohnzimmer.«
»Ich habe kein Wohnzimmer.«
»Und wo kann ich dann schlafen?«
Plötzlich lächelte sie nicht mehr. Sie biss sich auf die Lippe, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Er war zu schnell vorgeprescht. Es war wieder
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