Die Akte
preiszugeben, also riefen immer wieder Leute an, bis er es endgültig satt hatte und sich eine neue, nicht eingetragene Nummer geben ließ. Dann kam eine Flaute, und er ließ sich schleunigst wieder ins Washingtoner Telefonbuch eintragen.
Im Moment stand er drin. Gray S. Grantham. Der einzige Teilnehmer dieses Namens. Sie konnten ihn zwölf Stunden am Tag in der Redaktion erreichen, aber es war wesentlich verschwiegener und intimer, ihn zu Hause anzurufen, insbesondere mitten in der Nacht, wenn er zu schlafen versuchte.
Er ärgerte sich eine halbe Stunde über Garcia, dann schlief er wieder ein. Er war in einen Traum versunken und tot für die Welt, als es abermals läutete. Er fand den Hörer im Dunkeln. »Hallo.«
Es war nicht Garcia. Es war eine Frau. »Spreche ich mit Gray Grantham von der Washington Post ?«
»Ja. Und wer sind Sie?«
»Arbeiten Sie noch an der Story über Rosenberg und Jensen?«
Er setzte sich in der Dunkelheit auf und warf einen Blick auf die Uhr. Halb sechs. »Es ist eine große Story. Eine Menge Leute arbeiten daran, aber ja, ich recherchiere.«
»Haben Sie von dem Pelikan-Dossier gehört?«
Er atmete tief ein und versuchte nachzudenken. »Dem Pelikan-Dossier? Nein. Was ist das?«
»Eine harmlose kleine Theorie über die Frage, wer sie ermordet hat. Es wurde letzten Sonntag nach Washington gebracht, von einem Mann namens Thomas Callahan, Juraprofessor in Tulane. Er gab es einem Freund beim FBI, und es wurde herumgereicht. Die Dinge kamen ins Rollen, und am Mittwochabend wurde Callahan in New Orleans mit einer Autobombe ermordet.«
Die Lampe war eingeschaltet, und er machte sich Notizen.
»Von wo rufen Sie an?«
»Aus New Orleans. Aus einer Telefonzelle, also machen Sie sich keine Mühe.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Ich habe das Dossier geschrieben.«
Er war jetzt hellwach und atmete hastig. »Okay. Wenn Sie es geschrieben haben, erzählen Sie mir davon.«
»Das möchte ich nicht auf diese Art tun, denn selbst wenn Sie ein Exemplar hätten, könnten Sie die Story nicht bringen.«
»Weshalb nicht?«
»Sie könnten es nicht. Vorher wären gründliche Recherchen erforderlich.«
»Okay. Wir haben den Ku Klux Klan, den Terroristen Khamel, die Underground Army, die Arier, die...«
»Nichts da. Keiner von denen war es. Die wären zu naheliegend. In dem Dossier geht es um einen bisher nicht genannten Verdächtigen.«
Er wanderte mit dem Hörer in der Hand am Fußende des Bettes hin und her. »Weshalb können Sie mir nicht sagen, um wen es sich handelt?«
»Vielleicht später. Sie scheinen zu wissen, wie man an Material herankommt. Sehen wir zu, was Sie herausfinden.«
»Die Sache mit Callahan lässt sich leicht überprüfen. Dazu genügt ein Anruf. Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden.«
»Ich werde versuchen, Montag früh wieder anzurufen. Wenn wir miteinander ins Geschäft kommen wollen, Mr. Grantham, dann müssen Sie etwas vorzuweisen haben. Wenn ich das nächste Mal anrufe, möchte ich etwas hören, das ich noch nicht weiß.«
Sie rief im Dunkeln von einer Telefonzelle aus an. »Sind Sie in Gefahr?« fragte er.
»Vermutlich. Aber im Augenblick bin ich okay.«
Sie hörte sich jung an, vielleicht Mitte Zwanzig. Sie hatte ein Dossier geschrieben. Sie kannte den Juraprofessor. »Sind Sie Anwältin?«
»Nein, und vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, mir nachzuspionieren. Sie haben Arbeit vor sich, Mr. Grantham, sonst wende ich mich an jemand anderen.«
»Okay. Sie brauchen einen Namen.«
»Ich habe einen.«
»Ich meine einen Codenamen.«
»Sie meinen, wie Spione und solche Leute? Das wäre ein Spaß.«
»Entweder das, oder Sie nennen mir Ihren richtigen Namen.«
»Kommt nicht in Frage. Nennen Sie mich einfach Pelikan.«
Seine Eltern waren gute irische Katholiken, aber er war schon vor vielen Jahren gewissermaßen ausgestiegen. Sie waren ein gut aussehendes Paar, würdevoll in ihrer Trauer, sonnengebräunt und gut gekleidet. Hand in Hand betraten sie mit dem Rest der Familie die Rogers Chapel. Sein Bruder aus Mobile war kleiner und sah wesentlich älter aus. Thomas hatte gesagt, er hätte ein Alkoholproblem.
Eine halbe Stunde lang waren Studenten und Professoren in die kleine Kapelle geströmt. Am Abend sollte das Spiel stattfinden, und auf dem Campus hatten sich viele Leute versammelt. Auf der Straße parkte ein Übertragungswagen des Fernsehens. Ein Kameramann wahrte respektvollen Abstand und filmte die Vorderseite der Kapelle. Ein Campus-Polizist beobachtete
Weitere Kostenlose Bücher