Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
den Baumwipfeln hinauf, die im dichten Nebel verschwammen. Einen Herzschlag lang glaubte er, einen Schatten zu sehen … Doch das musste eine Sinnestäuschung sein. Er war viel zu groß für einen Adler.
Die Stimme des Sängers verstummte.
»Willkommen, Silberlöwen!«, rief jemand in ihrem Rücken.
»Joaquino?« Gishild drehte sich im Sattel um. »Verdammt, seid ihr das?« Auf ihrem Gesicht spiegelten sich Wut und Erleichterung. »Was soll das?«
Neben den Lichtern erschienen verschwommene Schattenrisse. Reiter. Sie trugen Fackeln. Vollkommen lautlos näherten sie sich. Das dicke Laubpolster des Waldbodens verschluckte das Geräusch der Hufe.
»Wir haben auf euch gewartet.« Es war tatsächlich Joaquino, der antwortete. Seine Stimme klang fremd, aber seine Umrisse waren nun deutlich zu erkennen. Er saß auf einem großen Schimmel. Die Fackel schien den Nebel in ihrer unmittelbaren Nähe zu schmelzen. Ihr flackerndes Licht ließ unstete Schatten über das Gesicht des Jungen tanzen. Wassertropfen glänzten wie Silberperlen in seinem Haar.
Jetzt waren nach und nach die anderen Fackelträger zu erkennen. Sie alle waren beritten. Der dünne José, Esmeralda mit ihrer Adlernase, die rothaarige Bernadette, die eine wunderschöne junge Frau geworden war und an diesem Morgen Joaquino heiraten würde. Alle Silberlöwen waren gekommen.
»Was soll das?«, fragte Gishild barsch.
Luc konnte Bernadette ansehen, wie schwer es ihr fiel, nicht genauso barsch zu antworten. Doch statt ihrer sprach René. Er war der Sänger gewesen. Seine Kinderstimme hätte er erkennen müssen, dachte Luc. Sie stand in absurdem Gegensatz zum Ernst seines Wesens. Er wirkte stets nachdenklich … reifer als sie alle.
»Wir sind die Silberlöwen. Wir tragen die Zeichen der Schande auf unserem Schild. Wir sind anders als alle anderen Novizen. Wir können diesen Makel nicht tilgen. Es wäre einfältig zu versuchen, ihn zu überspielen. Bekennen wir uns dazu! Seien wir stolz darauf, dass wir anders sind. Wir kommen nicht brav händchenhaltend durch das Burgtor marschiert. Wir sind Krieger. Das werden wir immer sein. Dazu bekennen wir uns selbst am Hochzeitstag. Joaquino und Bernadette werden in voller Rüstung vor den Altar treten. Werdet ihr es ihnen gleichtun?«
Luc war völlig überrumpelt. Er hätte nicht im Traum daran gedacht, sein Hochzeitsfest als ein Krieger zu begehen. Aus den Augenwinkeln sah er Gishild lächeln. Ihr Zorn war verflogen. Ihr schien die Idee zu gefallen.
»Aber unsere Rüstungen …«, begann Luc.
»Sie sind hier im Wald«, unterbrach ihn Esmeralda. »Alles ist vorbereitet.«
Sie scheinen sich ziemlich sicher gewesen zu sein, dass wir zustimmen, dachte Luc leicht verärgert.
»Wir sollten als feierlicher Fackelzug aus dem Wald kommen«, sagte Gishild voller Begeisterung. »In voller Rüstung, so als zögen wir in die Schlacht. Und schweigend. Aufgereiht, Ross neben Ross …«
Vielleicht war das die Art, wie man im Fjordland heiratete, überlegte Luc. Es würde zu diesen Barbaren passen. Aber wenn es Gishild gefiel …
»Die werden Augen machen«, bestätigte Esteban. Er war der größte unter ihnen und er hatte ein Kreuz wie ein Stier bekommen. Allerdings kam er Luc oft ein wenig einfältig vor. Er war leicht zu begeistern.
»Wetten, die Drachen werden es uns niemals verzeihen?«, mischte sich Raffael ein. »Mascha wird in ihrem Kleid wie ein Püppchen aussehen, wenn Gishild und Bernadette im Kettenhemd neben ihr stehen.«
Die Vorstellung ließ Luc lächeln. Auch Mascha würde heute vor den Altar treten. Acht Paare sollten getraut werden. Er grinste. Allein Maschas Gesicht wäre es wert, diesen Streich zu wagen. Was hatten sie schon zu verlieren? Sie waren die Silberlöwen. Man zerriss sich ohnehin das Maul über sie, ganz gleich, was sie taten. Also sollten sie die Erwartungen all der Novizen, Ritter und Magister nicht enttäuschen.
Er sah zu Giacomo mit seinem grausam vernarbten Gesicht. Das war Maschas Werk gewesen. Allein seinetwegen sollten sie keine Gelegenheit auslassen, Mascha zu brüskieren !
UNTER FEINDEN
In rasendem Sturzflug fielen sie dem Wald entgegen. Wegen des Windes drehte Ollowain den Kopf zur Seite. Seine Hände lagen auf den beiden Haken, mit denen er das Ledergeschirr öffnen musste.
Breite Nebelbänder wogten über die Lichtung unter ihm. Der Wald war eine düstere Phalanx. Wolkentaucher breitete die Flügel aus, um den Sturzflug abzufangen. Er streckte die mächtigen Fänge
Weitere Kostenlose Bücher