Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
nie vergeben. Doch auch wenn er sie verstand, gutheißen konnte er ihre Gefühle nicht. Und er bereute es, dass er in seinem Zorn nicht geduldiger versucht hatte, ihr diesen Plan wieder auszureden.
Ollowain blickte hinab in den Nebel. Er wollte nicht zum Werkzeug von Emerelles Hass werden. Aber wenn er nicht gehorchte, dann übernahm Tiranu den Befehl, und alles würde noch schlimmer werden. Er musste mit seinen Kriegern schnell und entschieden zuschlagen, sodass es gar keine richtige Schlacht gab. Solange ihre Feinde überrascht waren, würde es leicht sein, bis zu den Kerkern vorzudringen. Er konzentrierte sich auf den großen Vogel. Siehst du einen Platz in der Burg, der für eine Landung geeignet ist?
Dein Herz und dein Verstand sind uneins, Schwertmeister.
Ollowain stöhnte. Das war nicht der Augenblick, um mit einem Vogel zu philosophieren, auch wenn er in seinem Volk ein König war.
Der Augenblick zum Angriff ist günstig, dachte Ollowain.
Der Nebel gibt uns mehr Deckung als die Rauchkrüge. Wir werden sie überraschen und das Mädchen holen.
Und wenn sie nicht dort ist, wo du suchen willst?, beharrte die Stimme in seinem Kopf.
Wo sollte sie sonst sein? Der Schwertmeister spürte deutlich die Gefühle des großen Vogels. Wolkentaucher wollte ihm nicht seine Meinung aufzwingen. Er war in tiefer Sorge.
Sie war dem Nestalter nicht entwachsen, als die Ritter sie geholt haben. Sie hatte noch nicht gelernt, ihre Flügel zu benutzen. Du sagst, die Ritter seien klug? Sie waren es, die dem Menschenkind das Fliegen lehrten. Was ist, wenn sie mit ihnen fliegt? Dann wirst du sie nicht in den Höhlen tief in der Erde finden. Sie wird stattdessen auf der Wiese sein.
Der Adler verlagerte sein Gewicht und zog noch einmal in weitem Bogen über den Festplatz hinweg.
Der Flugwind schnitt Ollowain ins Gesicht, dass ihm die Augen tränten. Yulivee hatte ihm viel über Gishild erzählt. Über ihre Klugheit, ihren Stolz, darüber, wie eng sie dem Land der Fjorde verbunden war. Und über ihre Widerborstigkeit. Ihre Launen …
Yulivees Worte hatten ein Bild von dem Mädchen geformt, das er kaum gekannt hatte. Gishild war anders als andere Kinder, daran bestand kein Zweifel. Sie war vom Tag ihrer Geburt an dazu erzogen worden, stark zu sein und sich für ihr Land aufzuopfern.
Meine Nestbrüder kommen. Wohin sollen wir deine Krieger bringen, Schwertmeister?
Ollowain blickte hinab. Am Ufer des Sees war der Nebel besonders dicht. Nur die Dächer und Türme der Burg erhoben sich über die weißen Schleier.
Sie war nur ein Küken, das man aus seinem Nest geholt
hatte, dachte Ollowain in den Bildern des Adlerkönigs. Sie war viele Jahre allein unter ihren Feinden gewesen. Einsam … Hatte sie der Versuchung widerstehen können, sich in einem anderen Nest niederzulassen? War es nicht unbarmherzig zu erwarten, dass sie sich all die Jahre widersetzt hätte? Sie war doch nur ein Kind …
Suche in den Wäldern nahe der Festwiese einen guten Platz, um die erste Welle zu landen, befahl der Schwertmeister in Gedanken. Der Nebel gewährte ihnen eine letzte Frist. Sein Plan war verzweifelt und tollkühn.
Dein Herz und dein Verstand sind wieder eins, durchdrangen ihn die Gedanken des Adlers, und der große Vogel drehte zum Waldstück westlich der Burg ab.
DIE ART DER SILBERLÖWEN
Luc spürte Gishilds Angst, auch wenn er sie nicht ganz nachvollziehen konnte. Sie waren in Valloncour. Hier konnte ihnen nichts geschehen, außer, dass ihre ewigen Rivalen, die Drachen, ihnen einen dummen Streich spielten. Luc hatte sein Rapier nur deshalb gezogen, weil ihn die Ritter jahrelang darauf gedrillt hatten, stets zum Kampf bereit zu sein. Bei Gishild war das anders. Sie hielt die Lippen fest zusammengepresst. Sie war gespannt wie eine Feder. Er musste auf sie Acht geben … Nicht, dass an ihrem Hochzeitstag ein Unglück geschah. Dies sollte der glücklichste Tag seines Lebens werden! Er würde ihn sich durch nichts verderben
lassen. Auch wenn der Gesang der fremden Kinderstimme unheimlich war.
Er drängte sich dichter an Gishilds Seite.
»Dort drüben ist eine Lücke«, flüsterte sie und deutete in eine Richtung, von der Luc vermutete, dass es Norden war.
Sein Haar war nass vom Nebel, die Kleider klamm. Kälte kroch in seine Glieder. Die Lichter rückten langsam näher. Ein paar Augenblicke noch, dann würde sich der Kreis um sie völlig schließen.
Hoch über sich hörte er einen Adlerschrei. Er kam ihm unnatürlich laut vor. Er blickte zu
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