Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
Haaren ragten spitze Ohren auf.
Der Magister wollte eine Pistole ziehen, doch ein unmenschlich schneller Schlag prellte ihm die Waffe aus der Hand. Er starrte in ein ebenmäßiges, bleiches Antlitz. »Du bist ein Narr«, sagte der Andere. Er beherrschte die Sprache der Kirche ganz ohne Akzent. Seine grünen Augen leuchteten an diesem diesigen Morgen. Sie waren von goldenen Sprenkeln durchsetzt.
»Er ist ein Elf!«, schrie Drustan. »Elfen sind unter uns! Tötet sie!«
DER RUF DER ELSTER
Jornowell ahmte den keckernden Ruf einer Elster nach und gab ihr ein Zeichen, sich tiefer in den Wald zurückzuziehen. Es war das Alarmsignal.
Auch Yulivee hatte gehört, was ihn aufgeschreckt hatte: das Knirschen von Karrenrädern. Nur Augenblicke später waren Stimmen zu hören und Lachen.
Über die Lichtung, auf der sie gelandet waren, führte ein Feldweg in Richtung der Burg am Seeufer. Und auf diesem Weg näherte sich ein ganzer Wagenzug. Der Nebel und der weiche, schlammige Weg hatten ihre Geräusche geschluckt. Nun war es zu spät, um noch über die Lichtung zu laufen. Ein böiger Wind war aufgekommen und zerriss den Nebel in breite Streifen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war zu groß.
Gemeinsam mit Jornowell zog sich Yulivee ins Dickicht zurück. Auf dieser Seite der Lichtung waren sie vielleicht zu zehnt. Der größere Teil ihrer Truppe verbarg sich auf der anderen Seite, näher bei der Burg. Und es konnte nicht mehr lange dauern, bis die zweite Welle unter dem Befehl Fenryls eintraf, um genau auf dieser Lichtung zu landen.
Yulivee tastete nach den Flöten in ihrer Bauchbinde. Nein, das würde nicht helfen. Die Menschen durften durch nichts auf sie aufmerksam gemacht werden. Dann wären sie am schnellsten vorüber.
Lautenklänge drangen aus dem Nebel. Und dann erschien ein bunt durcheinandergewürfelter Haufen aus Soldaten, die ihre schweren Arkebusen geschultert trugen und mit Weibern und Spielleuten scherzten. Ein junger Barde sang ein unflätiges Lied über einen Grafen, dessen viel zu junges
Weib und einen Pferdeknecht. Yulivee musste schmunzeln. Manchmal waren die Menschen wie Kinder. Und so sehr sie die Ritter unter dem Banner des Blutbaums auch verabscheute, diese hier gefielen ihr. Trotz ihrer Arkebusen wirkten sie überhaupt nicht kriegerisch. Sie zogen nicht in die Schlacht, sondern zu einem Fest. Am liebsten hätte sie einen Zauber gewirkt, der die Augen der Menschen blendete und ihnen vorgaukelte, sie sei eine der ihren. Die Zauberin war neugierig, wie sie ihre Feste begingen. Sie kannte die Feiern in Firnstayn und Drusna. Sie hatte an den Feuern der Kentauren getrunken und mit den Lutin getanzt, wenn sie die Geburt einer Hornschildechse feierten. Aber mit ihren geschworenen Feinden, den Kriegern des Blutgottes Tjured, zu feiern hatte in ihrer Vorstellung seinen ganz eigenen Reiz. Der Krieg gegen sie dauerte schon viel zu lange. Die Krieger und Kriegerinnen, die Ollowain um sich versammelt hatte, waren in Dutzenden Schlachten erprobt. Sie alle hatten Gräuel miterlebt, die ihre Seelen entstellt hatten. Sie vermochten in den Menschenkindern, die sich Tjured verschrieben hatten, nur mehr Feinde zu sehen. Dabei lachten und liebten sie wie Albenkinder.
Plötzlich geriet der Zug ins Stocken.
Yulivee sah aus den Augenwinkeln, wie Jornowell einen Pfeil aus seinem Köcher zog.
»Nicht«, flüsterte sie.
Ihr Gefährte zog eine Grimasse, die andeutete, dass er keinesfalls so dumm wäre, zu schießen.
Einer der Soldaten auf der Straße schwenkte etwas hoch über seinem Kopf.
Yulivee stockte der Atem. Der Kerl hielt eine riesige Adlerfeder in der Hand! Einige seiner Kameraden umringten ihn. Gelächter erklang.
Eine Frau in schillernd bunten Gewändern gesellte sich zu ihnen. Ein Gürtel aus dünnen Münzen begleitete jeden ihrer Schritte mit leisem Klingeln. Sie trug einen Rock und ein sehr kurzes Hemd, das ihren Bauch unbedeckt ließ. Langes rotes Haar wallte von ihren Schultern. Eine dicke, dunkle Rauchstange wippte in ihrem Mundwinkel. Yulivee hatte die Koboldspäher, die zwischen den Welten wanderten, davon erzählen hören. Sie waren sich uneins, welche Bedeutung es hatte, Stangen aus gedrehten Blättern im Mund zu tragen und ihren Rauch einzuatmen. Die Mehrheit hielt es für eine kultische Handlung, mit der man sich kasteite, um Tjured für Vergebung für irgendwelche Sünden zu bitten. Meistens wurden diese Blattstängelchen wohl während Festen geraucht. Yulivee hätte gern mal eines probiert.
Die
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