Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
gehorchten, Gishild so nahe waren, dass sie einen
Brief in ihr Schlafgemach schmuggeln konnten, ängstigte ihn. Aber noch brauchte Honoré Gishild. Und wenn er sich auf die Pläne des Primarchen einließ, dann war Gishild zumindest nicht in Gefahr! Alles, was Honoré gesagt hatte, hatte sich klug und wohldurchdacht angehört. Er brauchte Gishild und ihn, um das Ziel seines Lebens zu erreichen.
»Glaubst du, sie wird auch mir schreiben können?«
Der Primarch breitete in hilfloser Geste die Hände aus. »Für sie kann ich nicht sprechen. Aber wenn sie klug ist, dann wird sie einen Weg finden. Und wir beide wissen, Gishild ist klug.«
Lucs Herz schlug schneller. Er malte sich aus, einen Brief von ihr in Händen zu halten, von ihr selbst zu erfahren, welchen Weg ihr Leben nahm. Dann müsste er sich nicht mehr mit bangem Herzen irgendwelche Gerüchte über das ferne Fjordland anhören und nächtelang darüber rätseln, was von dem, was er gehört hatte, vielleicht der Wahrheit nahekam. »Ich bin dein Mann, Bruder.«
»Deine Hand darauf!«
Luc schlug ein. Und er war überrascht, wie kräftig der Griff des Primarchen war, obwohl Honoré so hinfällig wirkte.
»Es gibt noch etwas, was du für mich tun kannst. Lass dich nicht länger so treiben wie in den letzten Wochen. Du warst eine Zierde unter den Novizen, auch wenn mancher deiner Magister darüber vielleicht anders denkt. Du warst ein Junge, über den viel gesprochen wurde. Ich glaube, jeder in Valloncour hat schon einmal deinen Namen gehört. Du musst wieder kämpfen. Lerne! Sei gut in allem, was du tust. Oder bemüh dich zumindest, dein Bestes zu geben, so wie du es getan hast, als Gishild noch hier war. Es wird leichter sein, innerhalb der Kirche aufzusteigen, wenn du dir deine Würden verdienst. Es läge in meiner Macht, dir
auch dann, wenn du niemand Besonderes wärst, bedeutende Ämter zu verschaffen. Doch Macht ist nur dann stark, wenn sie auf Respekt begründet ist. Verdiene es dir, eines Tages für unseren Orden am Verhandlungstisch zu sitzen. Niemand wird diese Aufgabe so gut erfüllen können wie du. Halte dir dieses Ziel immer vor Augen und sei wieder der junge, aufstrebende Novize, der du warst, bevor die Elfen nach Valloncour kamen.«
DIE CHRONIK VON FIRNSTAYN
… Als aber Gishild zurückkehrte, da war es, als wehe ein Sturmwind durch das Land, und wir alle wurden au fgerüttelt. Manche hassten es, so wie jene, die sich im Geiste schon in die Niederlage ergeben oder die der Königin das Szepter entwunden hatten, um an ihrer Stelle zu regieren. Andere aber, und dies waren bei weitem die meisten, fassten neuen Mut. Für sie war es so wie an jenen ersten, warmen Frühlingstagen, an denen man Fenster und Türen weit öffnet, damit der Geruch der langen Winternächte aus den Häusern weicht. Nur einen Tag war sie zurück, und schon stellte sie ein Au fgebot zusammen für ihren ersten kühnen Streich. Sie tat, was seit den Tagen des Alfadas niemand mehr getan hatte: Sie führte die Recken aus dem Land der Fjorde auf den Pfaden der Alben in die Finsternis. Dies war ein Ort, der selbst den tapfersten Helden bang ums Herze werden ließ. So gelangten sie weit nach Drusna hinein in einen verborgenen
Hain, tief in den Wäldern, den selbst die Schattenmänner vergessen hatten. Von dort aber führten die Elfen sie auf geheimen Pfaden durch die Wälder bis an jene Stelle, an der sie König Gunnar Eichenarm ein geheimes Grab bereitet hatten. Und ich, der ich diese Zeilen schreibe, ich habe dort gestanden und sah den König liegen auf einem Bett von Kanonenrohren und zerbrochenen Waffen. Und über ihm hingen die zerrissenen Fahnen der Feinde. Es war wahrlich das Grab eines Kriegers. Ich weiß nicht, was die Elfen taten. Doch dieses Grab war anders als alle, die ich je sah. Es roch nicht nach Fäulnis und Tod. Der Duft des Frühlings schien in der verborgenen Gruft eingefangen zu sein. Und glaubt es oder nicht, aber der Leichnam des Königs sah aus, als habe man ihn eben erst zur letzten Ruhe gelegt.
Und doch gab es einen Schrecken, den selbst die Kunst der Elfen nicht hatte mindern können. Den König, der dort ruhte, konnte man nur noch an den Narben an seinen Armen und Beinen wiedererkennen, jenen unverwechselbaren Spuren, die ein Leben auf Schlachtfeldern in seinen Leib geschnitten hatte. Dies war so, weil Gunnar das Haupt vom Rumpfe getrennt war. Eine Kanonenkugel hatte es zerschmettert, so berichtete die Zauberin Julifay, und sie sagte, sie habe daneben
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