Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
einen Tag nennen, an dem die Erzfeindin auf jeden Fall dort sein wird. Dies wird der Tag sein, an dem wir sie für den Mord an Guillaume richten!«
»Wann wird das sein?«, fragte Honoré.
»Das erfahrt ihr zu gegebener Zeit«, entgegnete der Primarch. »Wir werden genügend Zeit haben, uns vorzubereiten. Dieser Tag wird den Untergang Albenmarks einleiten! Ich will tausend Ritter bereit haben, um zuzuschlagen. Und zehntausend Seesoldaten. Wir brauchen mindestens zehn Galeassen und zwanzig große Galeeren. Und nicht weniger als hundert Kanonen sollen zum Angriff bereit sein. Besser noch mehr. Wir werden die Anderen Demut lehren und endlich den Tod ungezählter Brüder rächen. All unser Streben wird von nun an auf diese Schlacht ausgerichtet sein. Wir werden die Albenkinder überraschen, wenn wir sie in ihrer Welt angreifen. Wir können nicht verlieren. Mit dieser Schlacht wird das Banner des Aschenbaums für immer in unserem Schatten wehen. Wir müssen am Rabenturm einen Hafen errichten und große Vorratslager anlegen. Wir müssen neue Schiffe bauen und …«
»Und du bist sicher, dass der Lutin uns nicht betrügt?«, warf Honoré ein.
»Besuche ihn und sieh ihn dir an! Er ist gebrochen. Er ist gar nicht mehr in der Lage zu lügen. Er bettelt förmlich darum,
uns helfen zu dürfen. Mach dir keine Sorgen. Dieser Tag heute wird der Beginn des ruhmreichsten Kapitels in der Geschichte unseres Ordens sein. Alle Demütigungen werden vergessen sein! Kommt, tretet aus dem Schatten, Brüder. Das Schicksal der Bruderschaft des Heiligen Blutes wird sich endlich erfüllen! Wir werden Guillaume rächen! Gott will es!«
»Gott will es!«, rief Drustan mit seiner wohlgefälligen Stimme.
»Gott will es!«, stimmte auch Jerome ein.
Die Ritterbrüder traten aus den Nischen. Alvarez fühlte sich mit einem Mal wie berauscht. Nie hatte er sich so sehr als ein Werkzeug Gottes empfunden. Aus den Schatten der Nischen zu treten war befreiend. In allen Gesichtern stand Freude und Begeisterung. Nur Honoré wirkte nachdenklich. Doch er war schon immer griesgrämig gewesen.
Leon streckte den linken Arm vor. »Ihr alle, legt eure Herzhand auf die meine. Und lasst uns schwören, dass wir nicht ruhen werden, bis Emerelle tot und der Mord an Guillaume gesühnt ist.«
HIMMELSGEBOREN
Emerelle lehnte sich in das weiche Polster zurück und genoss den warmen Wind. Es war eine Ewigkeit her, dass sie zuletzt eine Reise in einer offenen Kutsche unternommen hatte. Und es war befreiend, dem Thronsaal entflohen zu sein. Zu oft hatte sie in die Silberschale geblickt. Sie hatte
ihr Land vergessen und ihre Völker. Sie war einer Zukunft hinterhergejagt, die sich mit jedem Atemzug veränderte, ungreifbar, düster und schicksalsschwer. Die Gegenwart war dabei verloren gegangen. Sie war immer gern geritten, aber eine Kutsche erlaubte es ihr, sich zu entspannen, eine Reise einfach nur zu genießen. Zwei Dutzend Städte und ungezählte kleine Siedlungen hatte sie auf dem langen Weg gen Süden besucht. Sie war von einem strahlenden Frühling in einen goldenen Sommer hinein gereist. Drei Monde war sie nun schon unterwegs. Und sie ließ keine Verzögerung aus. Nahm sich Zeit, einen halben Morgen mit einem alten Koboldschuster zu plaudern, Lotuspflückerinnen zuzusehen oder den See der geheimen Stimmen zu besuchen. Sie war auf verborgenen Trittsteinen über das Wasser gegangen und hatte den Stimmen im Nebel gelauscht. Hatte sich von Pfirsich, Sandelholz und anderen Wohlgerüchen berauschen lassen, bis sie trunken gewesen war von Düften.
Schmerzlich war ihr bewusst geworden, wie fern sie ihren Völkern gewesen war. Wie sehr ihr Leben in Hofzeremoniell und Zukunftsangst gefangen gewesen war. Eine gute Herrscherin sollte ihren Untertanen näher sein, als sie es gewesen war. Das würde sich ändern. Sie hatte die Silberschale zwar mitgenommen, und Nacht für Nacht verbrachte sie immer noch viele Stunden damit, sich dem scheinbar Unaufhaltsamen entgegenzustellen, aber an den langen Reisetagen fand ihre Seele Frieden.
Schlaftrunken vom sanften Wiegen der Kutsche, blinzelte sie zum dichten Blätterdach empor, wo Licht und Schatten miteinander in den Baumkronen tanzten. Orchideen in allen Farben und Formen wucherten auf moosbedeckten Ästen. Pfeilschnelle Kolibris schossen durch das Dickicht aus Licht und Farben. Manko-Affen sangen im Wald verborgen
ihr melancholisches Mittagslied. Hin und wieder konnte die Herrscherin rote Winkerkrabben erkennen, die sich die
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