Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
Was wollte der Alte hören? Sie hatte begriffen, wie wenig sie dem Orden bedeutete. Was hatte sie noch anzubieten? Nur eins war ihr noch geblieben. »Ich biete mich.«
Leon nickte. »Darüber müssen wir wohl noch genauer sprechen. Ich bin nicht wie Bruder Charles, ich mache mir nichts aus Novizinnen. Ich glaube, Luc wird eines Tages entweder ein bedeutender Ritter sein oder eine große Gefahr für unseren Orden. Und ich fürchte, du wirst entscheidenden Anteil daran haben, was aus ihm wird. Darüber werden wir uns nun unterhalten. Und wenn wir einig sind, lasse ich dich einen heiligen Eid schwören. Auf Luth, nicht auf Tjured. Diesem Götzen fühlt sich deine Sippe doch besonders verbunden. Dem Schicksalsweber … Ich hoffe, er ist dir wohlgesinnt, kleines Mädchen. Denn wenn er es nicht ist, erwartet Luc das Richtschwert. Du hast in der Hand, was aus ihm wird.«
UNGLEICHE BRÜDER
Alvarez fühlte sich niederträchtig. Wenn er gewusst hätte, was daraus erwachsen würde, dann hätte er Gishild ziehen lassen. Was hatte sie schon angerichtet? Ein bisschen verbranntes Heu war diese Strafe nicht wert. Manchmal hasste er es, sein Blut! Es hatte ihn in die Bruderschaft gebracht. Er hatte nie die Wahl gehabt.
Honoré stieß seinen Gehstock auf den Boden. Der scharfe, metallische Klang war seine Art des Applaudierens. Jerome klatschte. Auch ihm hatte der Vortrag des Primarchen gefallen. Drustan blieb still. Lag es daran, dass er nur einen Arm hatte? Oder missbilligte auch er, was geschah? Er war
der Magister von Luc und Gishild. Er hätte etwas sagen sollen. Zu schweigen war nicht genug.
»Wir haben auf der ganzen Linie gesiegt«, sagte Leon voller Stolz. »In nur einem Jahr haben die beiden zueinander gefunden. Und heute hat Luc den Beweis erbracht, dass er kein Wechselbalg ist. Er ist vom Blute des Guillaume. Seine Gabe tötet die Albenkinder!«
»Aber der Fuchsmann lebt!«, wandte Alvarez ein. Es war kindisch, aber er wollte, dass der Triumph des Primarchen nicht ohne Makel blieb.
»Deswegen müssen wir uns keine Sorgen machen«, meldete sich Honoré aus dem Dunkel seiner Wandnische zu Wort. »Die Auswirkungen der Gabe sind nur eine gewisse Distanz weit zu spüren. Wahrscheinlich war der Kobold gerade eben am Rand des Feldes. Nah genug, um Lucs Macht zu spüren. Aber weit genug entfernt, um nicht zu sterben.«
»So sehe ich das auch«, stimmte Leon zu.
Alvarez versuchte die Dunkelheit der Nischen mit seinen Blicken zu durchdringen. Wo war Drustan? Schon wieder sagte er nichts. Warum diese Heimlichtuerei?
Der Kapitän hielt diese Art von Versammlungen seit langem für überkommen. Dass sie ihre verschworene Gemeinschaft vor den übrigen Ordensrittern verbargen, vermochte er einzusehen. Aber dass sie sich untereinander nicht sehen sollten … Das war doch Unsinn!
Wieder blickte er zu den dunklen Nischen, die den großen, kreisrunden Turmraum umgaben. Wie viele mochten heute Nacht hier sein? Wie viele Brüder und Schwestern umfasste die Bruderschaft des Heiligen Blutes? Sein Verstand sagte ihm, dass sie nur zu fünft waren. Aber sein Herz … Zu den Anderen mit seinem verdammten Herzen! Seit er Mirella begegnet war, konnte er seinem Herzen nicht mehr trauen!
Es hatte ihn verraten. Kein Tag verging, an dem er nicht an sie dachte. Für ein paar Stunden des Glücks zahlte er mit unendlicher Qual. Wo steckte sie nur?
»Was sind deine weiteren Pläne mit den Kindern?«
Endlich sagte Drustan etwas. Er war also doch anwesend!
»Ich wünsche, dass sie miteinander glücklich werden. Sei weniger hart zu ihnen. Gishild glaubt, dass sie mit ihrem Wohlverhalten Lucs Leben rettet. Sie glaubt, ich werde ihn jede Woche aufs Neue prüfen, weil ich ihm nicht vertraue. In Wahrheit werde ich ihn in die Geheimnisse der Bruderschaft einweihen. Und er soll mit den besten Heilkundigen aus all unseren Jahrgängen zusammen lernen. Ich will, dass er über die Jahrgänge hinaus in unserem Orden bekannt wird.«
»Aber hier wird er seine Gabe nicht entfalten können«, wandte Alvarez ein. »Das Land ist verbraucht. Und wir können wohl kaum jedes Mal einen Troll oder ein anderes Albenkind aufbieten, damit er aus ihnen Kraft zieht.«
»Ich glaube, er ist auch über die Gabe hinaus beschenkt von Gott. Er hat heilende Hände. Und er hat ein gutes Herz, das andere schnell für ihn einnimmt. Selbst ich kann mich nicht ganz davor verschließen. Wir werden diese Gaben nutzen. Er wird ein großer Anführer werden. Auch die Löwen haben ihn zu
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