Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
einzelnen Tropfen einer Substanz verglichen, die man in den Ozean einbringt, ohne dabei den Prozess der Potenzierung zu berücksichtigen. Aber auch dessen Effektivität wird in Zweifel gezogen, vermengten sich ja bei diesem Vorgang auch die Inhaltsstoffe der verwendeten Trägersubstanz mit dem ursprünglichen Substrat. Die tatsächliche Wirkung homöopathischer Arzneien wird daher mit dem Placebo-Effekt erklärt, ohne dabei zu hinterfragen, wie dieser bei Säuglingen und Tieren zustande kommen kann.
Die meisten Studien sind nutzlos, da sie den individualisierten Therapieansatz der Homöopathie nicht berücksichtigen. Hier geht es um eine induktiv-empirische Therapie, die sich nie in statistische Korsetts pressen lassen wird. Selbst versierten Behandlern fällt es manchmal schwer, aus der Vielzahl der Mittel bereits nach dem ersten Gespräch das
Similium
, das ähnlichste Mittel, herauszufinden. Wie soll das innerhalb randomisierter Studien möglich sein? Die Gegner lehnen die Homöopathie als Quacksalberei ab, weil man noch nicht in der Lage ist, einen wissenschaftlichen Nachweis zu finden. Doch der Mensch versucht seit Jahrtausenden, die Welt zu enträtseln, und ist mit Sicherheit noch nicht am Ende des Weges angelangt. Mit jedem Jahrzehnt werden Dinge entschlüsselt, deren Verständnis gestern noch jenseits unserer begrenzten Möglichkeiten lag.
Eine Erkenntnis des französischen Nobelpreisträgers von 2008, Luc Montagniers, des Mitentdeckers der HI-Virus-Genese von Aids, gibt einen hoffnungsvollen Ausblick: Erstmals war es gelungen nachzuweisen, dass Lösungen, die die DNA von krankheitsauslösenden Mikroorganismen enthielten, in der Lage seien, niederfrequente Radiowellen auszusenden. Diese veranlassten die umgebenden Wassermoleküle dazu, ihrerseits Wellen auszusenden. |455| Die Sensation dieser These ist, dass das Wasser diese Eigenschaft nach massiver Verdünnung selbst dann noch behalten soll, wenn kein einziges DNA-Molekül mehr enthalten sein kann.
Nein, Hahnemann war kein Alchemist, sondern ein methodisch arbeitender Arzt, der es sich zum Ziel gemacht hat, den Menschen zu behandeln und nicht das Symptom. Eine Sichtweise, der sich die Gesellschaft mehr und mehr öffnet. Seit einiger Zeit zeichnen sich wünschenswerte Tendenzen ab, die vollenden, was Hahnemanns langjähriger Freund Hufeland anstrebte: die Zusammenarbeit zwischen Schulmedizinern und Heilpraktikern, Ärzte, die homöopathisch behandeln, oder die Kostenübernahme dieser Therapie seitens der Krankenkassen. Von den Extremen hin zur Mitte.
Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man heilen nennt.
Samuel Hahnemann,
Organon der Heilkunst
|456| QUELLENHINWEISE
An manchen Stellen habe ich aus den Schriften der Protagonisten Christoph Wilhelm Hufeland und Samuel Hahnemann zitiert bzw. diese sinngemäß verwendet, um dem Leser Lebensumstände und Handlungsweisen der historischen Personen nahezubringen. Dieses betrifft beispielsweise die Beschreibung des kranken Geheimen Kanzleisekretärs Klockenbring oder Hufelands Antrittsrede. Die zugrundeliegenden Werke sind hier aufgeführt.
Hahnemann, Samuel: Organon der Heilkunst, 4. Auflage Leipzig 1829
Ders.: Gesammelte kleine Schriften; Hrsg. von Josef M. Schmidt und Daniel Kaiser, Heidelberg 2001
Hufeland, Christoph Wilhelm: Hufeland – Leibarzt und Volkserzieher. Selbstbiographie, 2. Auflage Stuttgart 1937
Ders.: Kleine medizinische Schriften, Band 1 Berlin 1822 / Band 2 Berlin 1823
Ders.: Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern, Stuttgart 1826
Zitate aus Zeitungsartikeln stammen aus folgenden Quellen:
Gedicht zum Tode Rousseaus: »Über J. J. Rousseau«, Jakobi, J. G. In: Neueste Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige Wochenschrift mit Kupfern, 3. Jahrgang Berlin 1780
Auszug aus dem Artikel zur Makrobiotik: »Über die Verlängerung des Lebens«, Hufeland, C. W. In: Der neue Teutsche Merkur, 1. Band Weimar 1792
Burschenschaftslieder: Deutsches Volksgut
|457| Die ursprüngliche historische Aktennotiz des Geheimen Consiliums und weitere Informationen zu den Unruhen der Jenaer Studenten sind vollständig nachzulesen in: Wilson, W. Daniel: Goethes Weimar und die Französische Revolution: Dokumente der Krisenjahre, Köln 2004.
Weiterführende Literatur:
Pfeifer, Klaus: Medizin der Goethezeit. Christoph Wilhelm Hufeland und die Heilkunst im 18. Jahrhundert, Köln 2000
Haehl, Richard: Samuel
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