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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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der Pflanzen an, deren Äußeres die |452| inwendigen Heilkräfte offenbare. Ihm zufolge müsse man nur die Giftwirkung der Pflanzen und Mineralien kennen, um deren Entsprechung im menschlichen Leib zu sehen. Der Mensch als Mikrokosmos trage alle Wesenszüge des Makrokosmos in sich. Schöpfung und Mensch seien zu einem untrennbaren Ganzen miteinander verbunden.
    Dieser Glaube an ursächliche Zusammenhänge ist auch Teil des alchemistischen Glaubens – wie oben, so unten; wie innen, so außen. Nach Paracelsus versuchten sich mehrere Alchemisten daran, das Ähnlichkeitsprinzip zur Heilung anzuwenden. Doch erst Hahnemann begann, diesen Gedanken zu konkretisieren und zu einer Behandlungsmethode zu vervollkommnen.
    In seiner Biographie schreibt Hahnemann über die Arbeit als Bibliothekar in Hermannstadt: »Hier hatte ich die Gelegenheit, noch einige andere mir nötige Sprachen zu lernen und einige Nebenwissenschaften mir zu eigen zu machen, die mir noch zu fehlen schienen.« Während dieser Zeit trat Hahnemann auch der Loge
St. Andreas zu den drei Seeblättern
bei. Er verschrieb sich dem humanitären Ideal von Toleranz, Achtung vor der Menschenwürde und einem friedlichen, gerechten Zusammenleben und blieb zeit seines Lebens Freimaurer.
    Es gibt noch weitere Hinweise auf Hahnemanns Rückgriff auf alchemistische Traditionen. In den ersten Bänden seiner
Reinen Arzneimittellehre
waren sechs der sieben alchemistischen Metalle des Mittelalters enthalten: Gold, Silber, Eisen, Quecksilber, Kupfer und Zinn; Blei kam nur wenig später hinzu. Deren Verwendung gehörte zu den Grundlagen alchemistischer Kunst, und sie finden in den sieben Planeten Sonne, Mond, Mars, Merkur, Venus, Jupiter und Saturn ihre Entsprechungen. Auch die Anleitung zur Arzneimittelbereitung bestand in ihren Anfängen in einer Beschreibung alchemistischer Techniken. Die Verreibung und Verdünnung entspringen ebenfalls dieser Tradition. Zudem verwendete Hahnemann zur Potenzierung anfänglich Weinsteinrahm, dessen Zubereitung in alchemistischen Schriften dem
Geheimen Weingeist der Adepten
entspricht. Für die Beschreibung der Arzneimittel benutzte |453| er noch die traditionellen, der Alchemie entstammenden Abkürzungen.
    Doch es wäre zu einfach, Hahnemann deswegen als Alchemisten zu bezeichnen. In jener Zeit galt der praktische Teil der Alchemie noch als Basis der neuen Wissenschaften. Die neu gewonnenen Erkenntnisse fußten auf den alten Experimenten. Ihnen verdanken wir beispielsweise die Entdeckung des Porzellans.
    Hahnemann entschloss sich, seine Lehre auf dem Fundament systematisch ausgewerteter Proben und scharfer Beobachtung zu entwickeln, nicht aufgrund von Eingebungen oder geheimnisvollen Überlieferungen. Er war stets bemüht, sich von unzeitgemäßem Aberglauben freizumachen und alchemistische Vorgänge wissenschaftlich zu untersuchen. Während die Apotheker noch mit uneinheitlichen und teilweise unsauberen Herstellungsmethoden arbeiteten oder alte Traditionen kritiklos übernahmen, war er um höchste Arzneimittelsicherheit bestrebt. Sein
Apothekerlexikon
(4 Bände, 1793–1799) ist ein beeindruckendes Zeugnis seiner Genauigkeit.
    Einen direkten Vergleich mit Paracelsus, der neben der praktischen Alchemie auch das okkulte Wissen der alten Mysterien miteinbezog, lehnte er strikt ab. Mehrfach verbat er sich einen Vergleich mit diesem »Irrlicht« und dessen Theorien, die er als unverständliches Kauderwelsch bezeichnete. Hahnemann war einer der stärksten Widersacher von kritiklos fortgetragenem Wissen und verstand es, sich mit Ausdauer und Ehrgeiz durch alle bedeutsamen medizinischen Schriften zu arbeiten, wobei er jede Art von Spekulation aufs Schärfste kritisierte.
    Dass man gerade ihm und seiner Heilmethode noch heute Scharlatanerie unterstellt, obwohl er doch nichts anderes tat, als Scharlatane an den Pranger zu stellen, mag an der scheinbaren Unmöglichkeit liegen, in homöopathischen Substanzen Wirkstoffe nachzuweisen. Bereits im Jahre 1801 schrieb Hahnemann an seinen Freund, den Rat Becker in Gotha: »Ein solcher Missgriff, wie dieses Leugnen eines Pflanzenextractes in meinen Pulvern, kleide jedoch noch am ehesten einen Mann, der nach hundert Widerlegungen |454| den Phosphor noch immer im reinen Stickgas leuchten sehen will.«
    Heute versucht man, der Wirkung der Homöopathie in wissenschaftlichen Studien auf den Grund zu kommen, und bedient sich damit aktuell gültiger Logik. Die Kraft homöopathischer Arzneien wird dabei mit einem

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