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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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Einzige, die das sagt.«
    Sie konnte einfach nicht aufhören, dich zu provozieren.
    Â»Es gibt nicht viele Mädchen, die mir wirklich gefallen.«
    Â»Verstehe. Du stehst also eher auf One-Night-Stands.«
    Dabei war eher das Gegenteil der Fall: Flüchtige Abenteuer lagen dir nicht. Bei einer festen, wirklich innigen Beziehung musstest du das Gefühl haben, dass es wirklich passte – außer es war nur ein flüchtiges Abenteuer, was eher selten vorkam. Jedenfalls gingst du nicht auf alle Avancen ein, die man dir machte, wenn man dir überhaupt welche machte.
    Â»Eigentlich nicht«, erwidertest du und versuchtest, das Thema zu wechseln. »Und was ist mit dir? Treibst du irgendeinen Sport?«
    Â» Rhythmische Sportgymnasti k «, sagte sie. » Schon seit Jahren . «
    Sofort hast du an ihren mageren Körper gedacht und befürchtet, sie könnte sich mit einem Sportgerät verletzen. Aber du hast nichts darauf gesagt, und nachdem ihr eine Weile geschwiegen hattet, tauchte das zur Hälfte zugeparkte Diskothekenareal vor euch auf. Gedankenverloren hast du den Wagen abgestellt und den Motor ausgemacht.
    Eine gute Minute lang saßt ihr wie gelähmt im Halbdunkel. Dann hast du die angespannte Situation dadurch beendet, dass du als Erster ausgestiegen bist. Selvaggia folgte, und gemeinsam gingt ihr auf die Diskothek zu: einen gedrungenen, be ängstigenden Klotz, aus dem furchtbare Technomusik dröhnte.

7
    Was dich an Selvaggia immer wieder erstaunen sollte, war ihre Unbeständigkeit. Sie war wie eine launische Gezeitenwelle, die gegen eine Stadt voller unterschiedlichster Formen und Farben brandet und diese nach und nach annimmt oder besser gesagt: sich einverleibt . So als gäbe es tief in ihr einen Ort, an dem sie ihre Eigenheiten und zig Charakterfacetten eifersüchtig hütete. Und als könnte sie sich jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen für eine davon entscheiden. Nur um sie dann im Laufe ein- und desselben Tages mehrfach zu wechseln – etwas, das dir völlig fremd war. Denn es war tatsächlich so: Sie änderte ihre Haltung genauso unbekümmert wie ihre Kleidung.
    Trug sie einen Rock, wurdest du sofort von der sanften Weib lichkeit, die ihr ganzes Wesen zu durchdringen schien, ja von ihrer Fähigkeit, alles Abweisende abzulegen, überrascht. Trug sie dagegen eine Hose, wirkte sie schnell aggressiv, manchmal sogar anmaßend. Schmückte sie sich mit einer Kette, strahlte sie eine kreatürliche, katzenhafte Geschmeidigkeit aus und überraschte dich wiederum aufs Neue. Es war, als hätte man es mit einem seltsamen Charakter aus tausend Persönlichkeitsanteilen zu tun. Und jedes Mal, wenn du glaubtest, einen davon wiederzuerkennen und damit umgehen zu können, tauchte plötzlich die tausendundeinste Selvaggia auf, die du noch nicht kanntest und die neue, flirrende Erwartungen in dir weckte. So lange, bis du dich erneut der Illusion hingabst, ihr Geheimnis bis zu einem gewissen Grad lüften zu können. Hättest du etwas Ähnliches versucht, wäre ein extrem alberner Giovanni dabei herausgekommen, der rein gar nichts mehr mit dem echten Giovanni zu tun gehabt hätte: ein schlechter Witz.
    Doch ihr gelang es, sich Tag für Tag neu zu erfinden und jede neue Facette, die sie irgendwann enthüllte, als authentisch auszugeben. Und das ohne jede Anstrengung. Sie war tausendundeine Frau gleichzeitig. Und das Verblüffendste daran war, dass sie es schaffte, die tausend Frauen, aus denen sie bestand, alle zu leben – zumindest dachtest du das.
    An diesem Abend, an dem du noch so gut wie nichts von ihren Eigenheiten wusstest, ertapptest du dich bei dem Gedanken, dass sie nicht von ungefähr Selvaggia, »die Wilde«, hieß: Seit ihr um Mitternacht das Prince betreten hattet, tat sie bis drei Uhr früh nichts anderes, als sich auf der Tanzfläche auszutoben. Du saßt am Tresen und sahst ihr dabei zu, während hinter dir ein Barmann hektisch mit Hochprozentigem hantierte. Manchmal überließ sie sich der Musik allein, manchmal gemeinsam mit Jungs, die um sie herumwirbelten. Ansatzweise fühltest du dich für sie verantwortlich, denn sie wirkte fast ein bisschen überfordert auf dich. Aber dann ließen die Jungs sie aus irgendwelchen Gründen wieder in Ruhe – als könnte Selvaggia sie nach Belieben fortschicken, um entrückt allein weiterzutanzen.
    Ehrlich gesagt, wurdest

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