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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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durcheinandergebracht und einige deiner Gewissheiten und Fundamente ausgehöhlt.
    Und obwohl du es auf keinen Fall wahrhaben wolltest, hattest du jetzt schon Lust, sie wiederzusehen.
    Eine schöne Bescherung!
    Uff.

9
    Als du sie das zweite Mal getroffen hast, war es später Vormittag. Du warst mit Paranoia und Nautilus unterwegs gewesen, um dich abzulenken, da dir der Abend mit Selvaggia im Prince immer noch durch den Kopf ging.
    Als du dich dann gegen Mittag allein auf den Heimweg machtest, bist du vor der Haustür mehr oder weniger mit der ganzen Familie zusammengestoßen: mit deinen Eltern und ihr. Wieder trug sie dieses leichte Sommerkleid, das sie aussehen ließ wie das zerbrechlichste Geschöpf auf Erden. Kaum hattet ihr euch entdeckt, erstarrtet ihr kurz. Eure Eltern hatten dich noch gar nicht bemerkt, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, im Kofferraum des väterlichen Audi zu wühlen. Selvaggia begrüßte dich mit einer stummen Geste, die rührend aufrichtig wirkte. Du reagiertest mit einem Lächeln, gingst auf sie zu und sagtest: »So ein Zufall aber auch!« Und zwar nur zu ihr, ohne die Erzeugerfraktion groß zu beachten. Doch die erkannte deine Stimme, drehte sich zu dir um und begrüßte dich überschwänglich.
    Beglückt und zufrieden halsten sie dir einen riesigen Karton unbekannten Inhalts auf, den du hineintragen solltest. Selvaggia folgte dir in die Küche. Während du den Karton auf dem Tisch deponiertest, blieb sie in der Tür stehen und sah dich auf merkwürdige Weise an. Was sie jetzt wohl wieder ausheckte? Nur um das Eis zu brechen, fragtest du: »Darf man wissen, was da verdammt noch mal drin ist?«
    Â»Papa hat beschlossen, sich eine neue Fotoausrüstung zuzulegen.«
    Â»Verstehe. Nur damit sie dann in der Abstellkammer verstaubt.« Deine Bemerkung wurde mit einem kurzen Auflachen quittiert.
    Â»Ich weiß.« Selvaggia nickte. »Mama ist da genauso: ein sinnloser Impulskauf.«
    Â»Und was machst du hier?«, fragtest du vorsichtig, als könnte sie von einem Moment auf den anderen verschwinden wie eine Fata Morgana.
    Â»Mama hat angeboten, ihm zu helfen«, erwiderte sie. »Und da ich nichts Besseres vorhatte, habe ich beschlossen, das fünfte Rad am Wagen zu spielen.«
    Eigentlich musste ein solcher Satz von einem Grinsen begleitet werden, um sympathisch zu klingen, aber sie sah dich bloß schweigend an. Für einen kurzen Moment hofftest du absurderweise, dass sie dir gestand, nur deinetwegen gekommen zu sein.
    Â»Verstehe.« Du nicktest. »Wenn du nichts Besseres vorhast, können wir ja gemeinsam was unternehmen. Auf diese Weise kann ich dir Verona zeigen, bevor die Schule wieder anfängt.« Du hast dich ihr förmlich aufgedrängt, stimmt’s? Ohne genau zu wissen, warum. Vielleicht kam sie dir ein wenig verloren vor in dieser ihr fremden Stadt. Vielleicht hast du auch gehofft, ihr würdet euch aneinander gewöhnen – vorausgesetzt, sie erwartete nicht, dass du bei jedem Treffen fünfzig Euro für irgendwelche Ketten oder Schmuckstücke ausgabst!
    Â»Okay«, lautete ihre knappe, nicht ganz eindeutige Antwort. Vielleicht wollte sie noch etwas hinzufügen, aber in diesem Moment rief eure Mutter nach ihr, und sie musste gehen. Also verabschiedetet ihr euch hastig, nicht ohne euch für den Nachmittag zu verabreden.
    Pünktlich um vier, ja sogar schon ein bisschen früher, hast du dich in der Via Anfiteatro eingefunden, vor dem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, in dem Selvaggia und deine Mutter seit wenigen Tagen wohnten.
    Â»Ich komme«, trillerte Selvaggias Stimme aus der Gegensprechanlage, allerdings erst nachdem du zweimal geklingelt hattest. Nach einer Weile hörtest du erneut ihre Stimme, die dich bat hochzukommen: Sie müsse sich erst noch zurechtmachen.
    Im dritten Stock stand eine Tür offen, und noch bevor du Selvaggia im Flur entdecktest, wusstest du, dass das die richtige Wohnung sein musste. Du klingeltest kurz, um dich anzukündigen, und Selvaggia bat dich herein. Daraufhin lehntest du die Tür an und riefst »Mama?«
    Â»Die ist einkaufen«, erwiderte Selvaggia, die sich gerade in einem für dich nicht einsehbaren Zimmer befand. »Entschuldige die Unordnung, doch wir warten immer noch auf die Möbel. So gut wie nichts ist dort, wo es hingehört.« Jetzt erschien sie am Ende des Flurs und band sich die Haare

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