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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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Heimweg antreten, als es hinter dir hupte und du herumfuhrst. Du sahst deinen Vater, der den linken Arm aus dem Fenster seines Audi ge streckt hatte und damit herumfuchtelte. Ohne zu fragen, was er hier eigentlich verloren hatte, gingst du auf ihn zu und nahmst die Mitfahrgelegenheit dankbar an. Gleichzeitig versetzte es dir einen Stich, als du auch deine Mutter und Selvaggia im Audi entdecktest.
    Ohne dir etwas anmerken zu lassen, öffnetest du die hintere Wagentür, nahmst auf der Rückbank Platz und verstautest die Tasche mit den Schwimmsachen zwischen dir und der Siebzehnjährigen deiner Träume, als wolltest du eine Barriere zwischen euch errichten.
    Die Erzeugerfraktion begrüßte dich, stellte dir alle möglichen Fragen zu deinem Training – vor allem deine Mutter. Anscheinend wollte sie von nun an über jedes noch so unwichtige Detail im Leben ihres Sohnes Bescheid wissen.
    Ganz anders Selvaggia: gut möglich, dass sie dich überhaupt nicht begrüßte. Auf jeden Fall fragte sie dich nichts, ja, du wusstest nicht mal, ob sie überhaupt zuhörte, als du die Fragen deiner Mutter beantwortetest. Und ehrlich gesagt, verletzte dich das sehr.
    Und so kam es, dass du, schwer beleidigt wie du warst, deinen Vater gar nicht fragtest, wo es eigentlich hinging. Du warst viel zu sehr davon absorbiert, deine Schwester zu beobachten, die ihrerseits damit beschäftigt war, die vielen unbekannten Orte und Dinge zu verarbeiten, die in der beginnenden Dämmerung auf sie einstürzten. Auch wenn es dir kurz so vorkam, als betrachtete sie eigentlich dich – Giovanni, den Schmerzensmann, den tödlich Verwundeten, der sich im Autofenster spiegelte. Aber sicher warst du dir nicht.
    In deiner Verwirrung beließt du es dabei, ebenfalls aus dem Fenster zu schauen, stumm und leidend.
    Â»Kinder, ihr habt uns ja noch gar nicht erzählt, wie euer Shopping-Ausflug war«, brach eure Mutter sprühend vor Energie das Schweigen und drehte sich zu euch um, während ihr mit verschränkten Armen aus eurem jeweiligen Fenster saht.
    Â»Aber das ist doch schon zwei Wochen her , Mama!«, sagte Selvaggia und warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
    Da deine Schwester so gar kein Entgegenkommen zeigte, konzentrierte sich deine Mutter auf dich. »Na ja, irgendwas werdet ihr schließlich unternommen haben. Los, erzähl schon, Giovanni!«
    Â»Ja, klar«, erwidertest du. »Wir waren in ein paar Geschäften und haben ein paar dringende Erledigungen gemacht. Ich glaube, Selvaggia hat sich von Kopf bis Fuß neu eingekleidet.« Gleich darauf sahst du bestätigungsheischend zu der siebzehn jährigen Göttin hinüber, doch leider vergeblich. Stattdessen warf Selvaggia auch dir einen vernichtenden Blick zu, bevor sie sich echt arschlochmäßig verächtlich abwandte und dich erst recht demütigte.
    Und wie ein Leichnam hinfällt, fielst du hin  … und verstummtest abrupt. Das dürfte nicht einmal eurer Mutter entgangen sein, die es jedoch vorzog zu schweigen, während euer Vater die Szene im Rückspiegel mitverfolgte wie eine Überwachungskamera, nur dass kein Band eingelegt war.

11
    Vollkommen vertieft in die nun eingetretene, charontische Stille, erreichtet ihr ein wirklich wunderbares Restaurant vor den Toren Veronas. Du hattest keine Ahnung gehabt, dass deine Eltern essen gehen wollten, protestiertest jedoch nicht. Im Grunde hattest du durchaus Appetit auf ein erstklassiges Essen, auch wenn du ein bisschen müde und bekanntlich beleidigt warst.
    Nachdem das Parkmanöver vollbracht war, stieg Selvaggia aus, ohne auf euch zu warten und ging schon vor zum Restaurant. Papa folgte ihr, sodass du mit deiner Mutter allein zurückbliebst: Da du erst noch dein Schwimmzeug im Kofferraum verstauen wolltest, wartete sie auf dich. Noch während du gedankenverloren mit der Tasche herumhantiertest, ergriff sie das Wort. »Du musst sie entschuldigen«, sagte sie. »Sie ist heute ziemlich schlecht drauf.«
    Â»Das ist mir auch schon aufgefallen«, gabst du leicht gereizt zurück. Du fühltest dich gedemütigt, und das ärgerte dich. Du hattest so viel an sie gedacht, so unter eurer Trennung gelitten, und sie begrüßte dich mit einer Leichenbittermiene. Doch wenn es ihr wieder in den Kram passte, hieß es Johnny hier und Johnny da!
    Verbittert knalltest du den Kofferraum made in Germany zu und liefst mit deiner Mutter zum

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