Die Alchemie der Naehe
bin eine Art Samurai«, sagtest du schneidend wie nie zuvor.
»Irgendwas musst du doch haben«, stellte die scheinheilige Schmierenkomödiantin fest. »So habe ich dich noch nie erlebt.«
»Aber jetzt. Zufrieden?«
»Nein, ich bin nicht zufrieden und möchte gern wissen, was dich stört.« Anstatt dich indes dabei anzusehen, gab sie vor, sich für die Aussicht zu interessieren. »Und? Verrätst du es mir?«
Mann, war die scheinheilig und stur!
»Na gut«, sagtest du. »Wenn du es denn unbedingt wissen willst â¦Â«
»Ich höre!«.
»Also â¦Â«, ergriffst du würdevoll, wenngleich gepresst das Wort, »zum Beispiel stört mich, dass du nur anrufst, wenn es dir gerade passt. Aber ich bin nicht dein dein Knecht oder Laufbursche!«
Du hast es ihr so richtig gezeigt, bist zynischer geworden denn je, hast förmlich gesprüht vor jugendlichem Sarkasmus, während ihr sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. Erst vor Verblüffung und dann vor Empörung â so zumindest dein Eindruck. AnschlieÃend warf sie dir einen wütenden, vernichtenden Blick zu, lieà dich einfach stehen und strebte dem Ausgang zu. In diesem Moment machte sich wieder Meister Geppetto in dir bemerkbar und sorgte dafür, dass du ihr nachliefst, es einfach nicht schafftest, sie ein für alle Mal ziehen zu lassen. »He!«, hast du gerufen. »Warte!« Du hast sie eingeholt, versucht, ihren Arm zu packen. Sie drehte sich um und sah dich sichtlich verärgert an. War das vielleicht nur gespielt?
»Was soll das Theater?«, sagtest du, wobei du sie nach wie vor am Arm festhieltst. Noch nie in deinem Leben warst du dir so idiotisch vorgekommen: Erst hast du nur so getrieft vor Sarkasmus, doch kaum tat sie so, als wollte sie gehen, hast du dich zum Affen gemacht und bist ihr nachgelaufen.
Selvaggia sah dich durchdringend an und sagte kein einziges Wort. Dann befreite sie sich aus deinem Klammergriff.
»Du hast recht. Ich werde dich nie mehr anrufen. Ich lebe mein Leben und du deines.« Sie machte Anstalten zu gehen.
»Nein!«, hast du gerufen. »Warte, wir gehen gemeinsam!«
Du hast dich vor ihr aufgebaut, sie an den Schultern gepackt. Meine Güte, du hast dich lächerlich gemacht! »Ich wollte dich nicht beleidigen«, hast du gewinselt. »Ich fand es bloà schade, dass wir uns so lange nicht gesehen haben, obwohl wir es doch so schön in Malcesine hatten.« Du hast es vermieden, sie anzusehen, und gesagt: »Na ja, und da dachte ich, du wärst â¦Â«
»Eine Heuchlerin, los, spuckâs schon aus!«
»Nein! Ich habe mich bloà gefragt, ob ich vielleicht was falsch gemacht habe, ob du sauer auf mich bist. Und dann hat die Mama gesagt, dass du keine Lust hast, mich zu sehen ⦠AuÃerdem ⦠Ach, vergiss es. Ich habe mir das alles bloà eingebildet.«
Du hast deinen Ausreden nachgelauscht, die alles andere als überzeugend klangen. Anstatt irgendetwas zu sagen, hast du sie doch tatsächlich um Entschuldigung gebeten.
Was warst du nur für ein Blödmann!
Selvaggia sah dir lange in die Augen und seufzte dann gespielt groÃmütig.
»Na gut, Johnny«, sagte sie gnädig. »Diesmal will ich es noch einmal gut sein lassen. Ich mag dich nämlich. Aber das nächste Mal verzeihe ich dir nicht so schnell. Und jetzt wirst du dich ein bisschen überzeugender bei mir entschuldigen, indem du mich in das Schmuckgeschäft begleitest, das wir beide kennen, und mir eine schöne Kette aussuchst.«
Genau das waren ihre Worte. Ohne jeden Funken Mitleid. Dabei nahm sie deine Hand. Doch du warst dermaÃen glücklich, sie wieder auf deiner Seite zu haben, ganz aus dem Häuschen, weil sie dir gestanden hatte, dich zu mögen, dass du wie in Modugnos Schlager Volare in die Ionosphäre hättest entschwinden können.
Und so landeten aufgrund von irgendwelchen unerklärlichen, rätselhaften Entwicklungen, die deinen Horizont überstiegen, weitere schmerzhafte neunundvierzig Euro neunzig in der Kasse des Schmuckgeschäfts. Aber das war alles unwichtig im Vergleich zu der Tatsache, dass sie dich mochte.
Auf dem Heimweg wollte Selvaggia noch irgendwo einkehren. Also hast du den Wagen abgestellt, und ihr habt euch auf eine Bank an der Etsch gesetzt. Oder besser gesagt: Sie hat sich gesetzt, und du hast es ihr nachgetan.
Du kamst gar nicht mehr dazu, sie zu
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