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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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sagen solltet.
    Â»Das heißt, du langweilst dich bloß und hast nichts Besseres vor?«, lautete dein Kommentar in dem Versuch, den Grund ihres Anrufs herauszufinden.
    Â»Nein, im Gegenteil«, erwiderte sie. »Mama und ich sind gerade fertig mit Packen. Sie ist kurz weg.«
    Â»Ja und?«, fragtest du ratlos.
    Â»Nichts und! Ich wollte nur deine Stimme hören. Ich hatte Lust, mit dir zu reden, mehr nicht.«
    Dir schmeichelte diese Aufmerksamkeit, die keinerlei Gegenleistung verlangte – etwas, das sonst fast nie vorkam. Du stelltest dir vor, wie sie auf dem Sofa saß, die gebräunten Beine elegant übereinandergeschlagen. Vielleicht stand sie auch am Fenster und spielte mit den Vorhangfransen, während sie lächelte und redete.
    Â»Und bei dir?«, fragte sie zögernd. »Wie läuft’s bei dir?«
    Â»Soweit ich das beurteilen kann, gut«, sagtest du und nach kurzem Zaudern: »Können wir uns heute Abend sehen? Bitte, sag Ja!« Du hast sie förmlich angebettelt, war dir das eigentlich klar? Du hast sie angebettelt wie noch keine Frau zuvor. Selbst wenn du um die Hand einer anderen angehalten hättest, wäre dein Tonfall nicht so penetrant pathetisch gewesen.
    Â»Einverstanden«, gab sie sich geschlagen. »Von mir aus. Ge hen wir zu dir oder zu mir?«, fragte sie lachend. Ihr beschlosst, zu Hause zu bleiben: Jetzt musstet ihr nur noch eure Erzeuger loswerden.
    Â»Ich werde sie überreden auszugehen«, bemerkte deine Schwester trocken.
    So als läge es tatsächlich in ihrer Macht, eure Eltern dazu zu bringen, ihre Pläne zu ändern – und zwar beide. Ein wenig perplex versprachst du ihr, gegen neun zu ihr zu kommen, wenn eure Eltern bereits die Flucht nach Alcatraz antreten würden.
    Vorausgesetzt, Alcatraz würde sie überhaupt aufnehmen.
    Nun, es war wirklich unglaublich, aber als du bei ihr ankamst, räumten eure Eltern tatsächlich das Feld. Ja, dein Vater stand sogar schon um Viertel vor neun parat, um dich zum Haus deiner Mutter zu fahren. Er wartete, während du dein Gepäck aus dem Kofferraum holtest und eure Mutter bereits mit dem Lift nach unten fuhr. Nachdem du sie begrüßt und zugesehen hattest, wie sie sich in den Verkehr einfädelten, eiltest du zu Selvaggia hinauf, wobei du immer zwei Stufen auf einmal nahmst.
    Sie stand an der Wohnungstür, kam dir entgegen und lächelte dich zuerst an. Du hast zurückgelächelt und die wenigen Meter, die euch noch trennten, im Laufschritt genommen. Ihr habt euch kichernd umarmt, eure Wangen mit Küssen bedeckt. Ihr saht euch in die Augen, und dann bat sie dich herein. Sie hatte ihr Programm geändert und fragte dich, ob du Lust hättest, irgendwo was zu trinken, wobei sie dir versprach, früh nach Hause zu gehen. Du hast eingewilligt, wenn auch nicht gerade begeistert.
    Also gingt ihr in ein Lokal, das dir ohnehin gefiel. Es lag mitten im Zentrum, und die Loggien unten gewährten Ausblick auf die Etsch. Ihr bliebt auf ein Getränk und plaudertet ein wenig. Bald darauf standet ihr wie ausgemacht wieder draußen, während die Etsch langsam an euch vorbeifloss, wie um euch Gesellschaft zu leisten.
    Es war elf Uhr abends, als ihr in die Wohnung in der Via Anfiteatro zurückkehrtet. Da es noch ziemlich früh war, wolltest du wissen, worauf sie Lust hatte, schließlich war noch nicht Schlafenszeit. Außerdem hättet ihr die Nacht problemlos durchmachen können, schließlich waren Ferien, und es war niemand da, der euch etwas verbieten konnte. Selvaggia überlegte kurz und begann dann ohne jede Erklärung in einer Abstellkammer zu wühlen. Sie verlor sich völlig in dem Chaos, das dort herrschte.
    Â»Was suchst du?«, fragtest du irgendwann neugierig.
    Â»Das Zelt«, erwiderte sie kichernd.
    Â»Das Zelt?«
    Â»Ja, lass uns im Zelt schlafen! Warte, ich hab den Schlafsack gefunden.« Sie warf zwei blaue Daunensäcke aus der Abstellkammer.
    Â»Und wo sollen wir deiner Meinung nach zelten?«
    Â»Keine Ahnung, wir finden schon ein geeignetes Plätzchen. Wie wär’s unterm Küchentisch?«
    Ihr musstet beide lachen, und da hattest du eine Eingebung: »Wir könnten zu Papa gehen, dort haben wir einen Garten.«
    Sie drehte sich um und sah dich begeistert an.
    Â»Genau, lass uns zu Papa fahren«, beschloss sie.
    Mit Sack und Pack quältet ihr euch in den Aufzug: Ihr saht aus wie zwei

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