Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
Changs Hand. Neben Chang stand Miss Temple mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht. Doktor Svenson setzte sich wie eine hochgerissene Marionette auf und stellte fest, dass er wieder ordentlich angezogen war. Der Revolver lag neben ihm. Sie starrten ihn an wie einen Irren.
»Was ist passiert?«, fragte er mit krächzender Stimme.
»Was ist mit Ihnen passiert?«, fragte Chang seinerseits.
Svenson wandte sich zu dem offenen Bogen, und als er niemanden sah, zeigte er in Richtung des Wandbehangs, hinter dem sich die Treppentür verbarg. Er bemerkte die Verärgerung in Changs Schnauben und die Verwirrung auf Miss Temples gerunzelter Stirn. Sie hatten ihm nicht die Hose hochgezogen. Es war die Contessa gewesen. Aber wann? Seine Erregung war verschwunden – er konnte sich einen Blick nach unten nicht verkneifen –, doch unter welchen Umständen?
Kardinal Chang hielt die blaue Karte hoch. »Wo haben Sie das her?«
»Von der Contessa.« In Anwesenheit seiner Gefährten erschien die Komplizenschaft mit der Contessa völlig unverzeihlich. »Ich habe die Contessa getroffen …«
»Wie konnten Sie nur so dumm sein, in die Karte hineinzublicken?«
»Ich habe versucht, sie zu töten – es hat nicht geklappt –, und irgendwie sind wir schließlich vor den Wachleuten geflohen …«
Miss Temple nahm seine Hand und setzte sich neben ihn. »Sie müssen uns alles erzählen.« Ihr Blick fiel auf die Glaskarte in Changs Hand. »Und Sie müssen uns erzählen, was Sie gesehen haben.«
Doktor Svenson erzählte nur den schicklichen Teil, da jegliches ungebührliche Verhalten mit der Contessa jenseits ihrer Vorstellung lag. Jedes Mal, wenn seine Erzählung stockte, warfen Miss Temple oder Chang eine Frage ein, die es ihm ermöglichte, etwas auszulassen. Neben ihren Fragen gaben sie auch Einzelheiten ihrer eigenen Flucht zum Besten. Unter Svensons Feuerschutz waren sie tiefer in den Palast gelaufen. Ein Haufen Soldaten hatte sich in sämtliche Flure ergossen, aber sie konnten sich verstecken. Als Miss Temple Letzteres erzählte, war Svenson sicher, dass sie errötete.
»Wo haben Sie sich versteckt?«, fragte er.
»In einem Schrank«, murmelte Chang. Doch Miss Temple schien entschlossen, der Geheimnistuerei ein Ende zu machen.
»Wenn es sich um einen Schrank voller Kleider handelt, ist kein Platz für zwei darin, und ein Schrank ohne Kleider kann nicht beide verbergen, wenn ein sorgfältiger Sucher die Türen öffnet. Es bringt auch nichts, die Hälfte hinauszuwerfen – ein Haufen Kleider schreit danach, den Schrank genau in Augenschein zu nehmen.«
»Wirklich nicht einfach«, sprang ihr Svenson zur Seite.
Sie errötete erneut.
»Wir haben weder Phelps noch Cunsher gesehen«, sagte Chang brüsk, um Erde auf das Schrankthema zu schaufeln.
»Ich auch nicht«, sagte Svenson. Er erzählte ihnen vom Tod des Lords Pont-Joule, der Versklavung von Prinzessin Sophia und Mr. Harcourt durch die Contessa und von den beiden entwendeten Dokumenten.
»Und Sie haben sie am Leben gelassen.« Changs Stimme klang nüchtern, als wäre allein die Tatsache verdammenswert genug. »Und sie hat Sie verschont. Warum?«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem sie die roten Umschläge in Celestes Hotel geschickt hat. Sie ist nicht stark genug, um den Comte allein zu besiegen – jetzt, wo der Comte Robert Vandaariff ist.«
»Was wollte sie von Ihnen?«, fragte Miss Temple.
»Das kann ich nicht sagen – aber die Antwort liegt in einem kleinen Stück Glas, in das ihre eigenen Erinnerungen eingebrannt sind.«
»Ungewöhnlich«, sagte Chang. »Solch eine Selbstausbeutung ist für die unteren Schichten gedacht.«
Svenson nickte. »Man kann es nicht erklären. Sie müssen jeder selbst in das Glas schauen.«
Miss Temple, die bereits saß, nahm das Glas zuerst. Svenson blieb neben ihr sitzen. Auch wenn sie keine negativen Auswirkungen davongetragen hatte, sich den Plan im Glas anzuschauen, wollte er sicherstellen, dass diese viel stärkere Karte keine solchen hervorrief. Sie stöhnte leise, nachdem der Zyklus abgeschlossen war, aber er konnte keine plötzliche Blässe entdecken, kein Frösteln auf ihrer Haut. Chang sah wütend zu.
»Wie lange sollen wir sie denn hineinschauen lassen?«
»Nur noch eine Minute.« Svenson sprach leise, als würde Miss Temple schlafen. »Die Detailgenauigkeit ist erstaunlich, nahezu unbegreiflich.«
»Worum geht es? Sie haben nichts gesagt.«
»Das große Gemälde des Comte. Das in dem Zeitungsausschnitt des Herald erwähnt
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