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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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»berühre seinen Stab mit deiner zauberreichen Gagathand.« Das Kind that so und er fiel aus seiner Hand und der Alte sank in tiefen Schlaf auf die Ottomane. Die Dame legte ihre Laute nun auf die Ottomane und lehnte sie gegen den Kopf des schlafenden Zauberers; dann berührte sie die Saiten, bis die Töne an seinem Ohre anschlugen und sagte: »O mächtiger Geist der Musik, halte seine Sinne so gefangen, bis der Tag wiederkehrt. Nun folge mir, mein Kind!« fuhr sie fort, »und du sollst die Alhambra sehen, wie sie war in ihren glorreichen Tagen, denn du hast einen magischen Talisman, der allen Zauber enthüllt.« Stumm folgte Sanchica der Dame. Sie gingen durch die Oeffnung der Höhle in den Gang des Thores der Gerechtigkeit und von da auf die Plaza de los Algibes, oder die Esplanada innerhalb der Veste. Diese war mit maurischen Kriegern, Fußvolk und Reiterei, in Schaaren geordnet und die Fahnen entrollt, angefüllt. Auch standen an dem Portal königliche Wachen und Reihen afrikanischer Schwarzen mit gezogenen Säbeln. Niemand sprach ein Wort und Sanchica folgte ihrer Führerin furchtlos. Ihr Staunen wuchs, als sie in den königlichen Palast trat, in welchem sie aufgewachsen war. Der helle Mondschein erleuchtete alle die Säle und Höfe und Gärten als wär’ es Tag, zeigte aber ein Schauspiel, das sich von dem, was sie hier zu sehen gewöhnt war, sehr unterschied. Die Wände der Gemächer waren nicht mehr von der Zeit befleckt und aufgerissen. Statt der Spinnenweben hingen reiche Seidenzeuge von Damaskus hier und die Vergoldungen und arabischen Malereien hatten ihren ursprünglichen Glanz und ihre Frische wieder. Statt der leeren und schmucklosen Säle standen nun Divans und Ottomanen von den reichsten Stoffen da, mit Perlen besetzt und mit köstlichen Steinen ausgelegt und alle Brunnen in den Höfen und Gärten sprangen.
    Die Küchen waren wieder in voller Thätigkeit; die Köche bereiteten geschäftig Schattengerichte und rösteten und brieten die Phantome von Hühnern und Schnepfen; Diener eilten aus und ein, Silberschüsseln mit Leckereien tragend und ein kostbares Mahl herrichtend. Der Löwenhof war voller Wachen, und Höflingen, und Alfaquis[maurische Priester] , wie in den alten Zeiten der Mauren; und an dem obern Ende des Sals der Gerechtigkeit saß Boabdil auf seinem Throne, von seinem Hofe umgeben und diese Nacht einen Schattenscepter schwingend. Ungeachtet dieses Gedrängs und scheinbaren Durcheinanders, war keine Stimme, kein Fußtritt zu hören; nichts unterbrach das mitternächtige Schweigen als das Plätschern der Brunnen. Die kleine Sanchica folgte ihrer Führerin in stummem Staunen durch den Palast, bis sie an ein Thor kamen, welches zu den gewölbten Gängen unter dem großen Thurm des Comares führte. An jeder Seite des Thores saß die Gestalt einer Nymphe von Alabaster. Ihre Köpfe waren seitwärts gewendet und ihre Blicke auf dieselbe Stelle in dem Gewölbe gerichtet. Die bezauberte Dame stand still und winkte das Kind zu sich. »Hier,« sagte sie, »ist ein großes Geheimniß und ich will es dir zum Lohn für deine Treue und deinen Muth enthüllen. Diese verschwiegenen Statüen bewachen einen großen Schatz, den ein alter Maurerkönig hier verborgen hat. Sage deinem Vater, er soll die Stelle suchen, auf welche ihre Augen gerichtet sind und er wird etwas finden, das ihn reicher machen wird als irgend ein Mann zu Granada ist. Deine unschuldigen Hände aber allein können, da du auch in dem Besitze des Talismans bist, den Schatz heben. Heiß deinen Vater ihn klug anwenden und einen Theil davon zum Lesen täglicher Messen für die Befreiung meiner Seele ans diesem unheiligen Zauber bestimmen.«
    Als die Dame diese Worte gesprochen hatte, führte sie das Kind weiter zu dem kleinen Garten der Lindaraxa, der nahe bei dem Gewölbe der Statüen ist. Der Mond zitterte auf den Wellen des einsamen Brunnens in der Mitte des Gartens und goß ein zartes Licht auf die Orangen-und Citronenbäume. Die schöne Dame riß einen Myrthenzweig ab und flocht ihn um den Kopf des Kindes. »Laß dir dies ein Andenken an das seyn,« sagte sie, »was ich dir entdeckt habe, und ein Beweis von dessen Wahrheit. Meine Stunde ist gekommen – ich muß in den bezauberten Saal zurückkehren: folge mir nicht, damit dir kein Unglück begegne – lebe wohl. Gedenke meiner Worte und laß Messen für meine Erlösung lesen.« Bei diesen Worten ging die Dame in einen dunkeln Gang, der unter den Thurm des Comares führte und war nicht

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