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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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abgeschlossener Thäler verbreitet.
    Man darf diese Berge wohl die Glorie von Granada nennen. Sie beherrschen die ganze Ausdehnung von Andalusien und können von seinen fernsten Theilen gesehen werden. Der Maulthiertreiber begrüßt sie, wann er ihre eisige Spitzen auf dem heißen Boden der Ebene erblickt; und der spanische Matrose sieht auf dem Deck einer Barke, fern, fern auf dem blauen Schooße des mittelländischen Meeres mit sinnigem Auge auf sie, denkt an das ergötzliche Granada und singt mit leiser Stimme eine alte Romanze von den Mauren.
    Doch genug – die Sonne steht hoch über den Bergen und ergießt ihre vollen Strahlen auf unsere Häupter. Schon ist das hohe Dach des Thurmes heiß unter unsern Füßen: laß uns es verlassen, niedersteigen und unter den Arkaden an der Löwenquelle uns erfrischen.

Gedanken über die maurische Herrschaft in Spanien.
    Einer meiner Lieblingsplätze ist der Balkon des mittlern Fensters des Saales der Gesandten, in dem stolzen Thurme des Comares. Ich hatte mich eben dort niedergesetzt und mich des Schlusses eines langen glänzenden Tages gefreut. Wie die Sonne hinter die blauen Berge von Alhama niedersank, sandte sie einen Glanzstrom das Darro-Thal hinauf, welcher eine melancholische Pracht über die röthlichen Thürme der Alhambra verbreitete, während die Vega, mit einem leichten schwüligen Dunst, der die Strahlen der Abendsonne auffing, bedeckt, in der Ferne wie ein goldener See dalag. Kein Lufthauch störte die Stille der Stunde; und obgleich dann und wann der schwache Klang von Musik und Lust aus den Gärten des Darro aufstieg, machte dies die Grabesstille des Gebäudes, das mich überschattete, nur noch eindringlicher. Es war eine jener Stunden und Scenen, denen das Gedächtniß eine fast magische Gewalt anheim gibt, und seine zurückblickenden Strahlen, wie die Abendsonne, die diese zerbröckelnden Thürme überglänzt, zurücksendet, um die Herrlichkeiten der vergangenen Zeit zu beleuchten.
    Wie ich die Wirkung des sinkenden Tageslichtes auf diese maurischen Gebäude betrachtete, wurde ich zur Erwägung des leichten, zierlichen und üppigen Charakters der in seiner ganzen innern Architektur vorherrschend ist, und zu einer Vergleichung mit der großartigen aber düstern Feierlichkeit der gothischen, von den spanischen Herrschern aufgeführten Gebäude veranlaßt. Selbst der architektonische Styl zeigt die entgegengesetzten und unvereinbaren Naturen der zwei kriegerischen Völker, die sich so lange hier die Herrschaft über die Halbinsel streitig machten. Ich verfiel allmählig in ernstes Nachdenken über das sonderbare Schicksal der arabischen oder maurischen Spanier, deren ganzes Daseyn wie eine vorübergegangene Erzählung klingt und gewiß eine der seltsamsten, und doch glänzendsten Episoden in der Geschichte abgibt. Mächtig und dauerhaft, wie ihre Herrschaft war, wissen wir doch kaum, wie wir sie nennen sollen. Sie sind gewissermaßen eine Nation ohne rechtmäßiges Land und ohne einen Namen. Eine ferne Welle der großen arabischen Ueberschwemmung, auf den Strand Europa’s geworfen, schien sie den ganzen Ungestümm des ersten Ausbruchs der Strömung zu haben. Ihre Siegerbahn, von Gibraltar’s Felsen bis zu den Klippen der Pyrenäen war so rasch und glänzend, wie die mohamedanischen Siege in Syrien und Aegypten. Ja, wäre ihnen auf den Ebenen von Tours nicht Einhalt gethan worden, so wäre ganz Frankreich, ganz Europa mit derselben Leichtigkeit überwältigt worden, wie die Reiche des Osten, und der Halbmond würde heute auf den Tempeln in Paris und London glänzen.
    Innerhalb der Grenzen der Pyrenäen zurückgeworfen, gaben die vereinigten Horden Asiens und Afrika’s, aus denen dieser große Einfall bestand, den mohamedanischen Grundsatz der Eroberung auf und suchten in Spanien eine friedliche und dauernde Herrschaft zu gründen. Als Eroberer hatten sie eben so viel Heldenmuth als Mäßigung, und in beidem übertrafen sie eine Zeitlang alle Nationen, mit denen sie kämpften. Von ihrer Heimath getrennt, liebten sie das Land, das ihnen, wie sie glaubten, Allah gegeben hatte, und waren bemüht, es mit allem zu verschönern, was zur Glückseligkeit des Menschen beitragen kann. Indem sie ihre Macht auf ein System weiser und billiger Gesetze gründeten, Künste und Wissenschaften eifrig pflegten, Ackerbau, Manufacturen und Handel förderten, bildeten sie allmählig ein Reich, dem an glücklichem Gedeihen keines der Reiche der Christenheit gleichkam; und indem sie

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