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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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ein wahres Brutnest für diese gefiederten Schwärmer; in jeder Ritze und Spalte sind eine Menge Schwalben und anderer Vögel, die den ganzen Tag umher flattern, während des Nachts, wenn alle andern Vögel zur Ruhe gegangen sind, die träumerische Eule aus ihrem Versteck hervorkömmt und ihr bedentungsvolles Geheul von den Zinnen hören läßt. Sieh, wie der Habicht, den wir verscheucht haben, unter uns dahin fliegt, die Wipfel der Bäume berührend und sich zu den Ruinen über dem Generalife emporschwingend!
    Laß uns diese Seite des Thurmes verlassen und unsere Augen nach Westen wenden. Du siehst hier in der Ferne eine Reihe von Bergen, welche die Vega begrenzen, diese alte Scheidewand des arabischen Granada und des Landes der Christen. Unter jenen Höhen bemerkst du noch jetzt kriegerische Städte, deren graue Mauern und Zinnen mit dem Felsen, auf den sie gebaut sind, eins zu seyn scheinen; während da und dort eine einsame Atalaya, oder Warte, auf einem erhabenen Punkt gebaut, gleichsam aus dem Himmel in die Thäler nach allen Seiten niederschaut. Von den Schluchten dieser Berge, durch den Paß von Lope stiegen die christlichen Heere in die Vega nieder. Um den Fuß jenes grauen und nackten Berges, der fast gesondert von den übrigen dasteht und sein kühnes, felsiges Vorgebirg in die Brust der Ebene herausdehnt, kamen die eindringenden Schwadronen stäubend, mit fliegenden Fahnen und dem Klang von Trommeln und Trompeten. Wie anders ist jetzt die Scene. Statt der glänzenden Reihe gepanzerter Krieger sehen wir den geduldigen Zug des mühevollen Maulthiertreibers sich langsam den Saum des Berges entlang bewegen. Hinter jenem Vorgebirg ist die merkwürdige Puente (Brücke) de Pinos, berühmt wegen manches blutigen Kampfes zwischen Mauren und Christen; aber noch berühmter als der Ort, wo Columbus von den Boten der Königin Isabelle eingeholt und zurückgerufen ward, als er im Begriff war, in Verzweiflung abzureisen, um seinen Entdeckungsplan an den Hof von Frankreich zu bringen.
    Sieh einen zweiten in der Geschichte des Entdeckers berühmten Platz. Jene Linie von Mauern und Thürmen, die in der Morgensonne glänzen, ganz in der Mitte der Vega, ist die Stadt Santa Fe, während der Belagerung von Granada von den katholischen Herrschern erbaut, nachdem ein Brand ihr Lager zerstört hatte. In diese Mauern wurde Columbus von der heldenmüthigen Königin zurückgerufen; und innerhalb derselben wurde der Vertrag abgeschlossen, welcher zur Entdeckung der westlichen Erde führte.
    Hier, nach Süden hin, schwelgt das Auge in den üppigen Reizen der Vega; eine blühende Wildniß von Bäumen und Gärten und fruchtbaren Obststücken, durch welche der Xenil sich in Silberringen windet und wo er unzählbare Wassergräben unterhält, die durch alte maurische Kanäle gefüllt werden und die Landschaft in ein stetes Grün kleiden. Hier sind die theuern Lauben und Gärten und ländlichen Wohnungen, für welche die Mauren mit solcher verzweifelten Tapferkeit fochten. Selbst die Pachthäuser und Hütten, welche nun von den Bauern bewohnt werden, zeigen Spuren von Arabesken und andern geschmackvollen Verzierungen, welche beweisen, daß sie in den Tagen der Araber zierliche Wohnungen gewesen waren.
    Jenseit des umlaubten Landstrichs der Vega, nach Süden, siehst du eine Reihe öder Hügel, an denen sich ein langer Zug von Maulthieren langsam hinab bewegt.
    Von dem Gipfel eines dieser Hügel warf der unglückliche Boabdil seinen letzten Blick nach Granada zurück und machte seinem Seelenkampfe Luft. Es ist der Platz, berühmt in Lied und Geschichte, »der letzte Seufzer des Mauren,« genannt.
    Hebe nun dein Auge zu dem schneeigen Gipfel jener Gebirgsmasse, die wie eine weiße Sommerwolke in dem blauen Himmel glänzt. Es ist die Sierra Nevada, der Stolz und die Freude Granada’s; die Quelle seiner kühlenden Winde und ewigen Grüne, seiner strömenden Brunnen und unerschöpflichen Bäche. Diese herrliche Gebirgsmasse gibt Granada jene Verbindung von Wonnen, die in einer Stadt des Südens so selten sind: die frische Vegetation und die gemäßigten Lüfte des nördlichen Klimas mit der belebenden Kraft einer tropischen Sonne und dem wolkenlosen Azur eines südlichen Himmels. Dieser luftige Schnee-Schatz ist es, der, nach dem Verhältnisse der steigenden Sommerhitze schmelzend, durch jede Schlucht und Spalte der Apuxarras Bäche und Ströme niedersendet und smaragdnes Grün und Fruchtbarkeit in einer ganzen Kette glücklicher und

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