Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
Vom Netzwerk:
Ahmed war nach dem Tode seines Vaters König geworden und die schöne Aldigonda war seine Sultanin.
    Der christliche König war leicht zufrieden gestellt, als er sah, daß seine Tochter ihren Glauben beibehalten hatte: nicht als wenn er besonders fromm gewesen wäre; aber die Religion ist immer ein Gegenstand des Stolzes und der Etiquette bei den Fürsten. Statt blutigen Schlachten folgten sich jetzt Feste und Ergötzlichkeiten, nach welcher der König sich ganz vergnügt nach Toledo zurückbegab, und das junge Paar eben so glücklich als weise in der Alhambra zu regieren fortfuhr.
    Es muß bemerkt werden, daß die Eule und der Papagei gesondert dem Prinzen in kleinen Tagreisen nach Granada folgten; jene reiste bei Nacht und hielt in den verschiedenen erblichen Besitzungen ihrer Familie an; dieser glänzte in den fröhlichen Kreisen jeder Stadt und Burg, die er auf seiner Reise berührte.
    Ahmed vergalt die Dienste dankbar, die sie ihm bei seiner Pilgerschaft geleistet. Er machte den Weisheitsvogel zu seinem ersten Minister, den Papagei zu seinem Ceremonienmeister. Es ist unnöthig zu bemerken, daß nie ein Land weiser regiert oder ein Hof mit pünktlicherer Sorgfalt in Ordnung gehalten wurde.

Sage von des Mauren Vermächtniß.
    In der Festung der Alhambra, vor dem königlichen Palast, ist eine breite, offene Esplanade, welche der Platz der Cisternen (La Plaza de los Algibes) genannt wird, weil sie von Wasserbehältern, die vor dem Auge verborgen sind und noch aus der Zeit der Mauren herstammen, untergraben ist. In der einen Ecke dieses Platzes ist ein maurischer Brunnen, der bis zu erstaunlicher Tiefe in den lebendigen Fels gehauen und dessen Wasser so kalt wie Eis und so klar wie Krystal ist. Die von den Mauren gebauten Brunnen sind stets in Ansehen, denn es ist bekannt, welche Mühe sie sich gaben, um zu den reinsten und besten Quellen und Brunnen durchzudringen. Der, von dem wir hier reden, ist in ganz Granada berühmt, da die Wasserträger, bald mit großen Wassergefäßen auf ihren Schultern, bald Esel mit irdenen Krügen vor sich hertreibend, die steilen buschigen Zugänge der Alhambra, vom frühesten Morgen bis zur späten Abendzeit, auf-und absteigen.
    Brunnen und Quellen waren immer, seit den Tagen der h. Schrift, als Plauderplätze in den heisen Himmelsstrichen bekannt und an dem fraglichen Brunnen wird den lieben langen Tag von den Invaliden, den alten Weibern und anderm neugierigen, nichtsthuerischen Volk der Festung ein ständiger Klub gehalten; sie sitzen da auf den steinernen Bänken, unter einem über den Brunnen gedeckten Dache, um die Zolleinnehmer vor der Sonne zu schützen und beschwatzen die Vorfälle der Festung und fragen jeden Wasserträger, der da kömmt, über die Stadtneuigkeiten, und machen lange Betrachtungen über alles, was sie sehen und hören. Zu jeder Stunde des Tags sieht man zaudernde Weiber und müßige Mägde hier mit dem Krug in der Hand oder auf dem Kopf weilen, um den Schluß des endlosen Gewäsches dieser Ehrenleute zu hören.
    Unter den Wasserträgern, welche einst zu diesem Brunnen kamen, war ein starker, breitschultriger, krumbeiniger kleiner Kerl, Namens Pedro Gil, den man aber der Kürze wegen Peregil hieß. Als Wasserträger war er natürlich ein Gallego, oder Gallicier. Die Natur scheint Geschlechter von Menschen, wie von Thieren, für verschiedene Arten von Plackerei geschaffen zu haben. In Frankreich sind alle Schuhputzer Savoyarden, alle Thürhüter Schweizer – und in den Tagen der Reifröcke und des Haarpuders konnte niemand eine Sänfte gehörig in Gang bringen, als ein langbeiniger Irländer. So sind in Spanien die Wasser-und Lastträger sämmtlich stämmige kleine Leute aus Gallicien. Niemand sagt: »Schafft mir einen Träger,« – sondern »ruft einen Gallego.«
    Um von dieser Abschweifung zurückzukommen: Peregil der Gallego hatte sein Geschäft blos mit einem großen irdenen Krug angefangen, den er auf seiner Schulter trug; allmählig hob er sich in der Welt und war im Stand, sich einen Gehülfen von einer entsprechenden Klasse von Thieren anzuschaffen – nämlich einen starken, zottelhaarigen Esel. Auf jeder Seite dieses langöhrigen Adjutanten waren in einer Art Korb seine Wasserkrüge, auf welchen Feigenblätter lagen, um sie vor der Sonne zu bedecken. Es gab keinen fleißigeren Wasserträger in ganz Granada, und auch keinen fröhlichern. Die Straßen hallten von seiner lustigen Stimme wieder, während er seinem Esel nachtrabte und das gewöhnliche

Weitere Kostenlose Bücher