Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
vorging. So viel ist gewiß, er war eine Art von Läster-Chronik für die Neuigkeitsüchtigen von Granada und hatte mehr Kunden als alle übrigen Barbiere der Stadt.
Dieser ruhelose Barbier hörte den Peregil zu einer ungewöhnlichen Stunde der Nacht ankommen; auch vernahm er das Geschrei von Weib und Kindern. Alsobald steckte er auch seinen Kopf aus dem kleinen Fenster, das ihm als eine Art Luge diente und sah seinen Nachbarn einem Manne in maurischem Gewand in seine Wohnung helfen. Dies war ein so auffallendes Ereigniß, daß Pedrillo diese Nacht nicht eine Minute schlief. Alle fünf Minuten war er an seiner Luge und gab auf das Licht acht, das durch die Spalten der Thüre des Nachbars flimmerte, und sah vor Anbruch des Tags Peregil mit seinem ungewöhnlich beladenen Esel abziehen.
Der neugierige Barbier war außer sich; er schlüpfte in seine Kleider, stahl sich schweigend fort und folgte in einiger Entfernung dem Wasserträger, wo er ihn denn auf dem Sandufer des Xenil eine Grube graben und etwas in dieselbe verscharren sah, das wie die Leiche eines Menschen aussah.
Der Barbier eilte nach Haus, polterte in seiner Bude umher und warf alles drunter und drüber, bis der Tag kam. Jetzt nahm er das Becken unter den Arm und eilte in das Haus seines täglichen Kunden, des Alcalde.
Der Alcalde war eben aufgestanden. Pedrillo Pedrugo setzte ihm einen Stuhl, band ihm eine Serviette um den Hals, steckte ihm ein Becken mit heisem Wasser unter das Kinn und fing an, ihm den Bart mit den Fingern zu erweichen.
»Seltsame Vorfälle!« sagte Pedrugo, der zumal den Neuigkeitskrämer und den Barbier spielte: –»Seltsame Vorfälle! Raub – Mord – und Begräbniß – alles in einer Nacht.«
»Holla! – Wie? Was sagt Ihr da?« rief der Alcalde.
»Ich sage,« versetzte der Barbier und rieb dem Würdenträger ein Stück Seife über die Nase und den Mund, denn ein spanischer Barbier verachtet es, einen Pinsel zu brauchen – »ich sage, Peregil der Gallego hat einen maurischen Muselmann in dieser gebenedeiten Nacht beraubt, gemordet und begraben.
Maldita sea la noche
verflucht sey die Nacht!«
»Aber wie habt Ihr das alles erfahren?« fragte der Alcalde.
»Habt Geduld, Sennor, und Ihr sollt alles hören,« erwiederte Pedrillo, nahm ihn bei der Nase und ließ das Rasirmesser über seine Wange gleiten. Er erzählte dann alles, was er gesehen hatte und machte beide Operationen zu gleicher Zeit ab, indem er ihm den Bart abkratzte, sein Kinn wusch, uns ihn mit einer schmutzigen Serviette abtrocknete, während er den Moslem beraubte, mordete und begrub.
Nun begab es sich, daß der Alcalde einer der hochfahrendsten und zugleich einer der habsüchtigsten und schlechtesten Filze in ganz Granada war. Jedoch konnte nicht geläugnet werden, daß er einen hohen Werth auf die Gerechtigkeit setzte, denn er verkaufte sie nach ihrem Gewichte in Gold. Er dachte sich, der vorliegende Fall sey ein Raubmord; ohne Zweifel habe es reiche Beute dabei abgesetzt; wie war diese in die rechtmäßige Hand des Gerichtes zu bringen? – denn den Verbrecher blos zu ertappen – das hieß nur den Galgen füttern: – aber den Raub ertappen – das hieß den Richter bereichern und dies war, seiner Ansicht nach, der große Zweck der Gerechtigkeit. So dachte er und rief seinen treuesten Aguazil – einen ausgetrockneten, hungrigaussehenden Schurken, nach der Sitte seines Standes in die altspanische Tracht gekleidet, einen breiten schwarzen Hut nach allen Seiten aufgestülpt; ein sauberer Kragen; ein kleiner schwarzer Mantel von den Schultern flatternd; alte schwarze Unterkleider, welche seine schwanke, drähterne Gestalt noch mehr hervorhoben, während er in seiner Hand einen dünnen weißen Stab trug, das gefürchtete Abzeichen seines Amtes. Der Art war der gesetzliche Spürhund, von der alten spanischen Zucht, den er auf die Spuren des unglücklichen Wasserträgers hetzte; und der Art war seine Eile und Zuversicht, daß er dem armen Peregil auf den Fersen war, ehe er noch sein Haus erreichte, und ihn und seinen Esel vor den Spender der Gerechtigkeit brachte.
Der Alcalde warf einen seiner fürchterlichsten Blicke auf ihn. »Hörst du, Verbrecher!« brüllte er in einem Ton, daß dem armen Gallego die Knie aneinander klapperten. – »hörst du, Verbrecher, du brauchst deine Schuld nicht zu läugnen, ich weiß bereits Alles. Ein Galgen ist der beste Lohn für das Verbrechen, das du begangen hast; aber ich bin mitleidig und lasse gern mit mir reden. Der
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