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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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wurde streng bewacht. Mittlerweile hatte eine verzehrende Schwermuth sich ihrer bemächtigt, deren Grund niemand errathen konnte – sie wieß jede Nahrung von sich und wendete ihr Ohr jedem Trost ab. Die geschicktesten Aerzte hatten vergeblich ihre Kunst versucht; man glaubte, irgend ein Zauber sey an ihr geübt worden, und der König ließ öffentlich bekannt machen, wer sie heilen könne, sollte den reichsten Juwel in dem königlichen Schatze erhalten.
    Als die Eule, die träumerisch in einer Ecke saß, von dieser Bekanntmachung hörte, rollte sie ihre großen Augen und blickte geheimnißvoller denn je.
    »Allah Akbar!« rief sie: »glücklich der Mann, dem diese Heilung gelingt, wenn er nur weiß, was er in dem königlichen Schatz wählen soll.«
    »Was meinst du, höchst ehrenwerthe Eule?« sagte Ahmed.
    »Höre, o Prinz, was ich dir berichten will. Wir Eulen, mußt du wissen, bilden eine gelehrte Gilde und sind dunkelm und ständigem Forschen sehr ergeben. Während meiner letzten nächtlichen Streiferei um die Dome und Thürme Toledo’s, entdeckte ich eine Gesellschaft antiquarischer Eulen, welche ihre Zusammenkünfte in einem großen gewölbten Thurm halten, wo der königliche Schatz aufbewahrt wird. Hier besprachen sie die Gestalten und Inschriften und Zeichen auf alten Gemmen und Juwelen, auf goldenen und silbernen Gefäßen, welche, Beweise des Geschmacks aller Länder und Zeiten, in dem Schatz aufgehäuft sind; am eifrigsten aber behandelten sie gewisse Reliquien und Zaubermittel, welche seit den Zeiten Roderichs des Gothen in der Schatzkammer lagen. Unter diesen war ein Kistchen von Sandelholz, welches durch Stahlbande von orientalischer Arbeit geschlossen und mit mystischen nur wenigen Gelehrten bekannten Charakteren überschrieben war. Dieses Kistchen und seine Inschrift hatte die Gesellschaft mehrere Sitzungen beschäftigt und viele lange und ernste Streitigkeiten herbeigeführt. Zur Zeit meines Besuches saß eine sehr alte Eule, die neulich aus Aegypten gekommen war, auf dem Deckel des Kistchens und hielt über die Inschrift einen Vortrag, in welchem sie bewies, das Kistchen enthalte den seidnen Teppich von dem Throne Salomon’s des Weisen, der ohne Zweifel von den Juden, welche sich nach dem Sturz von Jerusalem nach Toledo geflüchtet hatten, mitgebracht worden sey.«
    Als die Eule ihre antiquarische Rede geschlossen hatte, blieb der Prinz eine Zeitlang in Gedanken verloren. »Ich habe,« sagte er, »von dem weisen Eben Bonabben von den wunderbaren Eigenschaften dieses Talismans gehört, welcher bei dem Falle Jerusalems verschwand und für das menschliche Geschlecht verloren zu seyn schien. Ohne Zweifel bleibt er für die Christen von Toledo ein geschlossenes Geheimniß. Wenn ich in den Besitz dieses Teppichs kommen kann, ist mein Glück gewiß.«
    Am nächsten Tage legte der Prinz seine reiche Tracht bei Seite und kleidete sich in das einfache Gewand eines Arabers der Wüste. Er gab seinem Gesicht eine dunkle Farbe und niemand hätte in ihm den glänzenden Krieger erkannt, der so viel Bewunderung und Unheil bei dem Turnier veranlaßt hatte. Den Stab in der Hand, an der Seite die Tasche und eine kleine Hirtenpfeife, begab er sich nach Toledo, stellte sich an dem Thore des königlichen Palastes dar und kündigte sich als einen Mitbewerber um den Lohn an, der für die Wiederherstellung der Prinzessin geboten worden. Die Wachen wollten ihn mit Schlägen wegtreiben und sagten: »was vermag ein herumziehender Araber, wie du, in einem Falle, an welchem die Gelehrtesten des Landes scheiterten?« Aber der König hörte den Lärm und befahl, den Araber vor ihn zu bringen.
    »Mächtigster König,« sagte Ahmed, »du siehst einen Bedouinen vor dir, der den größten Theil seines Lebens in den Einöden der Wüste hingebracht hat. Es ist bekannt, daß diese Einöden von Dämonen und bösen Geistern besucht werden, die uns arme Hirten bei unserer einsamen Wachen befangen, in unsere Schafe und Heerden fahren und zuweilen selbst das geduldige Kamel wüthend machen; gegen diese ist unser Zauber die Musik und wir haben alte Weisen, welche von Geschlecht zu Geschlecht auf uns kamen, und die wir singen und pfeifen, um diese bösen Geister zu vertreiben. Ich gehöre einem begabten Stamme an und besitze diese Kraft in ihrer vollsten Stärke. Wenn ein böser Einfluß dieser Art deine Tochter bezaubert hat, so setze ich meinen Kopf zum Pfand, daß ich diesen Bann löse.«
    Der König war ein Mann von Verstand und wußte,

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