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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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mit einem dämonischen Pferd und gleichen Waffen zu thun – wenn sie einmal im Kampfe waren, konnte nichts sie zügeln. Das arabische Roß schoß in das dichteste Gedräng; die Lanze warf alles, was ihr vorkam, nieder; der sanfte Prinz wurde wie toll auf dem Kampfplatz umhergerissen, und bedeckte ihn mit hoch und niedrig, adlig und schlicht, und betrübte sich über seine eignen unfreiwilligen Heldenthaten. Der König stürmte und wüthete über diese Schmach an seinen Unterthanen und Gästen. Er ließ alle seine Wachen ausziehen – so schnell sie herankamen, wurden sie aus dem Sattel geworfen. Der König warf seine Staatsgewänder ab, ergriff Schild und Lanze, und ritt heraus, den Fremdling mit der Gegenwart der Majestät selbst zu schrecken. Ach! es erging der Majestät nicht besser, als dem Pöbel – das Roß und die Lanze achtete der Personen nicht, und zu Ahmeds Betrübniß wurde er in vollem Lauf gegen den König getragen, und in einem Augenblick waren die königlichen Fersen in der Luft, und die Krone rollte in den Staub.
    In diesem Augenblick erreichte die Sonne die Mittagshöhe; der magische Bann nahm seine Kraft zurück; der Araber durchflog die Bahn, setzte über die Schranken, stürzte in den Tajo, schwamm durch dessen wilde Strömung, trug den Prinzen athemlos und außer sich in die Höhle, und stand wieder neben dem eisernen Tische wie eine Statüe. Der Prinz stieg recht froh ab, und legte die Rüstung an ihre Stelle, um der ferneren Bestimmungen des Schicksals zu harren. Dann setzte er sich in der Höhle nieder, und dachte über den verzweifelten Zustand nach, in welchen ihn dieses teuflische Roß und die Waffen gebracht hatten. Er durfte es nicht wagen, sich zu Toledo sehen zu lassen, nachdem er eine solche Schmach über dessen Ritterschaft gebracht, und dessen König so schwer beleidigt hatte. Und was dachte wohl die Prinzessin von einem so rohen und stürmischen Beginnen? Voller Unruhe sandte er seine gefiederten Boten aus, um Nachrichten zu sammeln. Der Papagei begab sich an alle öffentlichen Orte und besuchten Plätze der Stadt, und kehrte bald mit einer Menge Geplauder zurück. Ganz Toledo war in Bestürzung. Die Prinzessin war ohnmächtig in den Palast getragen worden; das Turnier hatte in Verwirrung geendigt; alle Welt sprach von der plötzlichen Erscheinung, den wunderbaren Thaten und dem sonderbaren Verschwinden des Moslem-Ritters. Einige erklärten ihn für einen maurischen Zauberer; Andere hielten ihn für einen Teufel, der menschliche Gestalt angenommen, während Andere Sagen von bezauberten Kämpen, die in den Höhlen der Berge versteckt seyen, erzählten und glaubten, es könne einer derselben gewesen seyn, der plötzlich aus seiner Höhle losgebrochen sey. Alle waren darüber eins, daß kein gewöhnlicher Sterblicher solche Wunder verrichten oder solche vollkommene und tapfere christliche Ritter aus dem Sattel heben könnte.
    Des Nachts flog die Eule fort, schwebte über der nächtlichen Stadt und setzte sich auf die Dächer und Schornsteine. Dann nahm sie ihren Weg empor zu dem königlichen Palast, der auf der felsigen Höhe von Toledo stand, und schlich um seine Zinnen und Terrassen, an jeder Spalte lauschend und mit ihren dicken glotzigen Augen in jedes Fenster, wo ein Licht war, schielend, so daß ein oder zwei Staatsfräulein in Ohnmacht fielen. Aber erst, als die graue Dämmerung über die Berge schaute, kehrte sie von ihrer nächtlichen Wanderung zurück und erzählte dem Prinzen, was sie gesehen hatte.
    »Während ich um einen der höchsten Thürme des Palastes strich,« sagte sie, »sah ich durch ein Fenster eine schöne Prinzessin. Sie war auf ein Lager gelehnt, Dienerinnen und Aerzte um sie, allein sie wollte nichts von ihrem Dienste und ihrer Hülfe wissen. Als sie weg waren, sah ich, wie sie einen Brief aus ihrem Busen zog, ihn las und küßte und in laute Klagen ausbrach, worüber ich, so sehr ich auch Philosoph bin, nicht anders als gerührt seyn konnte.«
    Ahmed’s zärtliches Herz betrübten diese Nachrichten sehr. »Zu wahr waren deine Worte, o weiser Eben Bonabben,« rief er. »Sorge und Kummer und schlaflose Nächte sind das Loos der Liebenden. Allah bewahre die Prinzessin vor dem verderblichen Einfluß dieses Dings, das Liebe genannt wird.«
    Fernere Kunde aus Toledo bestätigte die Nachricht der Eule. Die Stadt war eine Beute der Unruhe und der Verwirrung. Die Prinzessin war in den höchsten Thurm des Palastes gebracht worden, und jeder Zugang zu demselben

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