Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Mann, den du in deinem Hause ermordet hast, war ein Maure, ein Ungläubiger, ein Feind unserer Religion. Ohne Zweifel hast du ihn in einem Anfall religiösen Eifers todt geschlagen. Ich will daher nachsüchtiger seyn; gib die Habe heraus, welche du ihm genommen hast und wir wollen die Sache vertuschen.«
Der arme Wasserträger rief alle Heilige als Zeugen seiner Unschuld an; aber ach, keiner von ihnen kam; und wenn sie gekommen wären, der Alcalde hätte alle Heilige des Kalenders Lügen gestraft. Der Wasserträger erzählte die ganze Geschichte von dem sterbenden Mauren mit der ungeschmückten Einfachheit der Wahrheit; aber alles war umsonst. »Wirst du darauf bestehen,« fragte der Richter, »daß dieser Moslem weder Gold noch Juwelen hatte, welche ein Gegenstand deiner Habgier waren?«
»So gewiß ich selig zu werden hoffe, Eure Gnaden,« versetzte der Wasserträger: »er hatte nichts als eine kleine Kapsel von Sandelholz, die er mir als Lohn für meine Dienste vermachte.«
»Eine Kapsel von Sandelholz? Eine Kapsel von Sandelholz?« rief der Alcalde und seine Augen funkelten bei den Gedanken an Edelsteine. »Und wo ist diese Kapsel? wo hast du sie versteckt?«
»Euer Gnaden zu dienen,« sagte der Wasserträger, »sie ist in einem der Körbe meines Esels und steht Euer Gnaden herzlich gern zu Diensten.«
Er hatte diese Worte kaum gesprochen, so schoß der treffliche Aguazil schon fort und erschien in einem Augenblick wieder mit der geheimnißvollen Kapsel von Sandelholz. Der Alcalde öffnete sie mit hastiger und zitternder Hand; alles drängte sich herzu, um die Schätze zu sehen, welche sie, wie man hoffte, enthielt, als, zu ihrem Mißmuth, sich nichts als eine Pergamentrolle mit arabischen Buchstaben bedeckt, und ein Stück von einer Wachskerze zeigte.
Wenn nichts durch die Ueberführung eines Gefangenen zu gewinnen ist, so ist die Gerechtigkeit, in Spanien sogar, manchmal unpartheiisch. Als sich der Alcalde von seinem Verdruß erholt hatte, und sah, daß wirklich nichts Namhaftes in der Kapsel war, hörte er leidenschaftlos auf die Auseinandersetzung des Wasserträgers, welche durch das Zeugniß seiner Frau bekräftigt ward. So von seiner Unschuld überzeugt, entließ er ihn aus seiner Haft; ja, er erlaubte ihm sogar, sein maurisches Vermächtniß, die Kapsel von Sandelholz und deren Inhalt als wohlverdienten Lohn für seine Dienste mit nach Hause zu nehmen; aber den Esel behielt er an Geldes statt für Kosten und Gebühren.
Da war denn der unglückliche kleine Gallego wieder in die Nothwendigkeit versetzt, sein eigner Wasserträger zu werden und mit einem großen irdenen Krug auf seiner Schulter zu dem Brunnen der Alhambra herauf zu keichen.
Wenn er sich in der Hitze eines Sommernachmittags die Höhe heraufarbeitete, verließ ihn seine gewöhnliche gute Laune. »Verdammter Alcalde!« rief er dann wohl aus: »der einem armen Mann die Mittel seines Unterhalts, den besten Freund raubte, den er auf der Welt hatte.« Und dann brach, bei der Erinnerung an den geliebten Gefährten seiner Mühen, die ganze Zärtlichkeit seines Wesens hervor. »Ach, Esel meines Herzens!« rief er aus, indem er seinen Krug auf einen Stein stellte und sich den Schweiß von der Stirne wischte – »ach, Esel meines Herzens! Ich weiß es gewiß, du denkst an deinen alten Herrn! Ich weiß es gewiß, du vermissest die Wasserkrüge – armes Thier!«
Um seinen Kummer zu vermehren empfing ihn seine Frau, wenn er nach Hause kam, mit Murren und Greinen; sie hatte nun offenbar den Vortheil über ihn, denn sie hatte ihn gewarnt, die edle Handlung der Gastfreundschaft, welche all dieses Unheil über sie brachte, nicht zu üben; und als eine kluge Frau nahm sie jede Gelegenheit wahr, ihm ihren überlegeneren Scharfsinn vorzuhalten. Wenn ihre Kinder kein Brod hatten oder ein neues Kleid brauchten, sagte sie wohl höhnisch – »geht zu euerm Vater – er ist der Erbe des Königs Chico von der Alhambra – sagt ihm, er solle euch mit der Büchse des Mauren helfen.«
Wurde je ein armer Erdenmensch so arg gestraft, weil er eine gute That vollbracht hatte? der unglückliche Peregil war an Leib und Seele niedergeschlagen, dennoch ertrug er den Hohn seiner Frau mit Gelassenheit. Endlich aber, eines Abends, als er nach saurer Tagesarbeit heimkehrte, und sie ihn wieder in der gewöhnlichen Weise aushöhnte, verlor er alle Geduld. Er wagte es nicht, sie es entgelten zu lassen, aber sein Auge ruhte auf der Kapsel von Sandelholz, die mit halb offenem
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