Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Deckel, als spotte sie über seine Noth, auf einem Brette lag. Er ergriff sie und warf sie zornig auf den Boden. »Verflucht der Tag,« rief er, »an welchem ich dich zuerst erblickte und deinen Besitzer unter meinem Dache aufnahm!«
Als das Kistchen auf den Boden fiel, öffnete sich der Deckel weit und die Pergamentrolle fiel heraus. Peregil betrachtete die Rolle eine Zeitlang in düsterem Schweigen. Endlich sammelte er seine Gedanken – »wer weiß,« dachte er, »vielleicht ist diese Schrift nicht unwichtig, da der Maure sie so sorgfältig bewahrte?« Er nahm sie daher und steckte sie an seine Brust; und als er am nächsten Morgen Wasser in den Straßen ausrief, blieb er an dem Laden eines Mauren stehen, eines Eingebornen von Tangiers, der Wohlgerüche und andere Kleinigkeiten verkaufte, und bat ihn, ihm den Inhalt zu erklären.
Der Maure las die Rolle aufmerksam, strich dann den Bart und lächelte. »Diese Handschrift,« sagte er, »enthält eine Zauberformel, um verborgene Schätze, welche gebannt liegen, aufzufinden. Es heißt, sie habe eine solche Kraft, daß die stärksten Riegel und Bande, ja selbst Demantfelsen ihr weichen müssen.«
»Pah,« sagte der kleine Gallego, »was nützt mir das alles? Ich bin kein Beschwörer und weiß nichts von begrabenen Schätzen.« Bei diesen Worten nahm er seinen Wasserkrug auf die Schulter, ließ die Rolle in den Händen des Mauren und machte seine gewöhnliche Runde.
Als er aber am Abend in der Dämmerstunde an dem Brunnen der Alhambra ausruhte, fand er eine Gesellschaft von Plaudertaschen versammelt, deren Unterhaltung, wie das in diesen abendlichen Stunden nicht ungewöhnlich ist, sich um alte Mährchen und Sagen von übernatürlichen Ereignissen drehte. Da sie alle arm wie Ratten waren, verweilten sie mit Vorliebe bei dem vielbeliebten Stoffe – bei bezauberten Schätzen, welche die Mauren in verschiedenen Theilen der Alhambra zurückgelassen. Vor allem stimmten sie in dem Glauben überein, es lägen tief in der Erde unter dem Thurm der sieben Stockwerke große Schätze verborgen.
Diese Geschichten machten einen ungewöhnlichen Eindruck auf den Geist des guten Peregil und senkten sich tiefer und tiefer in seine Gedanken, als er durch die dunkeln Pfade einsam zurückkehrte. »Wenn denn doch wirklich ein Schatz unter diesem Thurme begraben läge – und wenn die Rolle, die ich bei dem Mauren gelassen habe, mich in den Stand setzte, sie zu heben!« In der plötzlichen Verzückung dieses Gedankens hätte er beinahe seinen Wasserkrug fallen lassen.
Er wälzte sich diese Nacht ruhelos in seinem Bette und konnte vor allen den Gedanken, die sein Gehirn umtrieben, nicht einen Augenblick schlafen. Mit dem frühen Morgen eilte er in die Bude des Mauren und erzählte ihm alles, was ihm in dem Kopf herum gegangen war. »Ihr könnt Arabisch lesen,« sagte er: »laßt uns miteinander in den Thurm gehen und die Wirkung der Zauberformel versuchen; schlägt es fehl, so sind wir nicht schlimmer daran, als vorher; gelingt es, so theilen wir den ganzen Schatz, den wir finden, in gleiche Theile.«
»Halt,« versetzte der Moslem: »die Schrift allein reicht nicht hin; sie muß um Mitternacht, bei dem Licht einer Kerze gelesen werden, welche auf besondere Art zusammengesetzt und hergerichtet, und wozu das Erforderliche nicht in meinem Bereiche ist. Ohne diese Kerze ist die Rolle von keinem Nutzen.«
»Kein Wort mehr!« rief der kleine Gallego: »ich habe eine solche Kerze zur Hand und werde sie den Augenblick herbringen.« Damit eilte er nach Haus, und kam bald mit dem Ende der gelben Wachskerze zurück, die er in der Kapsel gefunden hatte.
Der Maure fühlte und roch daran. »Hier sind seltne und kostbare Wohlgerüche mit diesem gelben Wachse verbunden,« sagte er. »Dies ist die Art Kerze, wie sie in der Rolle bezeichnet ist. So lange sie brennt, werden die stärksten Mauern und geheimsten Höhlen offen bleiben. Aber wehe dem, der wartet, bis sie verloschen ist. Er bleibt verzaubert bei dem Schatze.«
Sie kamen nun überein, den Zauber noch in derselben Nacht zu versuchen. Als daher in später Stunde sich nichts mehr regte, als Eulen und Fledermäuse, bestiegen sie die waldbewachsene Anhöhe der Alhambra und näherten sich dem schauerlichen Thurm, der von Bäumen umbuscht und durch so viele Sagen furchtbar gemacht worden ist. Bei dem Lichte einer Laterne tappten sie sich durch Büsche und über Steine zum Thor eines Gewölbes unter dem Thurme fort. Mit Furcht und Zittern stiegen
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