Die Alptraumritter
gewinnen und sein Leben zu schonen, auf welchem Weg auch immer. Und schließlich wußte Necron wie kein zweiter die vielfältigen, verwirrenden Zeichen der Düsterzone richtig zu deuten und in ihr zu überleben. Das hatte Arruf selbst erlebt. Eine gütige Einigung mußte möglich sein. Necron war durch sein Wissen ein unersetzlicher Weggefährte.
Arruf hielt an, als er einen Baum erreichte. Sein Dolch fuhr aus der Scheide, er trennte ein rechteckiges Stück Rinde ab und zog es vom Stamm. Der Krieger ritt weiter, zog ein Bein aus dem Steigbügel und fing an, mit der Dolchspitze Schriftzeichen in die feuchte Innenfläche einzuritzen.
Necron, schrieb er vorsichtig, um die Bewegungen des Pferdes auszugleichen und die Stöße abzufangen, wir müssen uns treffen. Wir allein müssen klären, wie wir uns einigen können.
Er rollte die feuchte, dünne Rindenschicht zusammen und steckte sie in den Ausschnitt seines Wamses. Konnte er mit Necrons Hilfe oder nur auf dem Weg über dessen Tod aus der Abhängigkeit Achars entkommen? Er würde es versuchen.
Gegen Mittag, als am Horizont zwischen dem Niemandsland und Horien die ersten Ausläufer von Steinformationen auftauchten, die von den Reitern mit einiger Phantasie als Reste einer Mauer gedeutet werden konnten, unternahm der Sohn des Shallad seinen ersten Versuch an diesem Tag.
Er schloß die Augen, überließ dem Pferd die Sorge für den Weg und übte aus, was er gelernt hatte. Er versetzte sich in die Höhle von Necrons Verstand und suchte den Griff nach dessen Augen. Das Dunkel riß auf, und er befand sich – so stellte es sich in seinem Bewußtsein dar – hinter den Augäpfeln des Alleshändlers.
Die Geräusche von Arrufs Umwelt deckten sich mit denen, die Necron umgaben. Arruf sah Hals und Ohren, Zügel und Mähne eines staubbedeckten Pferdekörpers. Vor dem Tier lag ein Stück Land, sehr ähnlich demjenigen, das sie selbst durchritten. Die Felsentrümmer, sehr oft kantig und wie auseinandergefallene Quader einer Zyklopenmauer aussehend, lagen links von Necron. Arruf schätzte, daß Necron mehr als eine halbe Tagesreise Vorsprung hatte. Das Pferd wirkte nicht erschöpft. Zwischen kleinen Hügeln, Waldstücken, schmalen Bächen und Flecken aus hochstehendem, von Unkraut und Blumen durchwucherten Grasflächen standen kleine Rudel Rotwild mit gekrümmten Gehörn, das den Hörnern der Tokapis glich. Keine Zelte, keine Nomaden, keine Flüchtlinge – Necron sah niemanden, der ihn aufhalten konnte.
Der Alleshändler unterbrach den Kontakt und bemächtigte sich der Augen Arrufs.
Arruf grinste kalt; er hatte seine Augen geschlossen und öffnete sie erst, als er die Rindenrolle auf dem Sattelknauf auseinandergerollt hatte. Wieder bedauerte er kurz, daß Arruf nicht auch die Gewalt über die Gedanken Necrons besaß.
Der Alleshändler las die Worte.
Er ritt scheinbar ruhig eine Weile weiter, dann stieg er ab und wickelte sich den Zügel um den Oberarm. Er kauerte sich zu Boden und schrieb, sich Wort um Wort überlegend, wie er es auch in den Schlackenwälle des Yarls eingeritzt hatte:
W-i-r t-r-e-f-f-e-n u-n-s.
An dem verfallenen Turm, morgen früh.
Necron wartete.
Das Duell der Augen ging also wieder weiter. Er hatte nichts anderes erwarten dürfen. Er schwankte zwischen Hoffnung und Furcht, zwischen der Lust zum Angriff und dem Versuch, seine Flucht bis zum Ende der Welt fortzusetzen.
Er hob den Kopf und blickte dorthin, wo sich aus einer feinen Sandwolke inmitten einer nach Norden gefallenen Trümmerlandschaft die Ruine eines runden Turms ganz schwach zu erkennen war. Rund um den Fuß des Turmes, dessen Ostseite von grünen und welkenden Pflanzen bewuchert war, lagen riesige Trümmer. Auch zwischen ihnen erhob sich ein wildes Gemenge von Büschen und Bäumen, deren Kronen sich unaufhörlich wie im Fieber schüttelten.
Als er merkte, daß Arruf seine Augen übernahm, richtete er den Blick zuerst auf seine Schrift, dann auf den Turm. Viele Herzschläge später, als er durch Arrufs Augen schauen konnte, entschlüsselte er nacheinander die Buchstaben, die Arruf in die Rindenschicht einschnitt.
D-o-r-t t-r-e-f-f-e-n w-i-r uns!
Beide Gegner hatten genug gesehen. Sie kannten ihre Positionen. Arruf wandte sich an Uinaho und sagte:
»Wir sind der Mauer näher gekommen. Morgen fängt mein Kampf mit Necron an.«
»Du bist ein seltsamer Mann«, antwortete der Heeresführer des Ays. »Du solltest uns, deine Freunde, dir helfen lassen. Wir überwältigen und fesseln ihn,
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